Religionen | Yasir erklärt mir den Ramadan
ToS | 3. Juni 2016 In den vergangenen zehn Jahren war ich sicher mehr als ein halbes Dutzend Mal in Pakistan. Ich mag das Land und seine Leute. Unangenehme Erfahrungen: Fehlanzeige. Von dem miserablen Image Pakistan keine Spur. Hier und bei vielen meiner Reisen nach Afrika oder Asien habe ich den Ramadan erlebt: Die Fastenzeit der Muslime.
Das ist fremd für einen aus Europa; besonders dann, man nicht religiös ist. Und doch nötigt es einem Respekt ab. Vor fünf, sechs Jahren war ich wieder einmal dort, es war August, wenn ich mich richtig erinnere. Wieder einmal hatte es sich ergeben, dass gerade Ramadan war. Ich habe damals meine Eindrücke von einem Tag im Ramadan aufgeschrieben. Gerade jetzt möchte ich sie wieder veröffentlichen, da kommende Woche natürlich auch in Deutschland dieser Fastenmonat beginnt. In dieser in und für Deutschland besonderen Zeit, in der neue Nazis mit alten Sprüchen und einem sehr ekelhaften Rassismus gegen alles hetzen, was nicht sie selbst sind.
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Riaz und all die Männer und ich
Die Krähen veranstalten einen Lärm, dass man nicht mal mehr die wenigen Autos hört, die sich in die Parkbuchten zwängen. Eine erstaunlich ruhige Atmosphäre hier. Sonst wimmelt es nur so von Menschen, Stimmen, Autos und laut knatternden Motorrädern. Vom Gehupe gar nicht zu reden. Aber jetzt ist auf einmal alles anders. Ich bin mit meinem pakistanischen Freund Riaz hier.
Es ist warm, nicht wirklich heiß, Luftfeuchtigkeit gibt’s gratis. Ohne uns zu bewegen, schwitzen wir. Wir sprechen leise. Das tun auch die etwa hundert Männer schräg vor uns. Sie sitzen sich gegenüber, auf einem Bastteppich. Vor ihnen kleine Plastikkanister mit Wasser, davor Plastikbecher und Obstsalat. Der ist lecker, es ist eine Art würziger, flüssiger Quark darauf. Und Gewürze, die nicht allzu scharf sind. Das gibt einen mir bisher unbekannten, interessanten Geschmack.
Die Männer sind leise. Wenige sprechen. Manche schauen in den Himmel, an dem der Halbmond leuchtet, der kurz vor der Dämmerung etwas Licht spendet, bevor die Laternen angehen. Andere scheinen versunken zu meditieren, vielleicht zu beten. Es sind Männer unterschiedlichen Alters. Sie tragen Jeans und Poloshirt, modische Kleidung mit irgendwelchen Logos darauf und Sprüchen – oder einen Shalwar Kamiz, die traditionelle Kleidung der ganzen Region. Generationen, Lebensstile unterschiedlichster Art scheinen dort versammelt. Alle indes mit demselben Glauben.
Yasir erklärt mir den Ramadan
Jetzt ist es drei Minuten nach sieben abends in Islamabad. Wie auf ein geheimes Zeichen hin bewegen sich plötzlich alle, die Männer auf dem Bastteppich, die Gäste des Cafés und Riaz und ich auch. Das stille Gemurmel wird zu Gesprächen. Die Krähen haben keine Chance mehr mit ihrem krächzenden Singsang. Aber geheim ist das alles natürlich nicht. Fast zeitgleich ist der Imam einer Moschee zu hören, von ganz weit her: „Allah ist groß!“. Vier Mal. Alle sprechen ein kurzes Gebet. Alle trinken zuerst einen Schluck Wasser. Alle essen. Riaz und ich auch. Wir brechen das Fasten. Das nennt man hier Iftar.
Das alles hat mir Yasir erklärt. Er ist 22 Jahre alt. Nacht für Nacht sitzt er an der Rezeption des Gästehauses, in dem ich in Islamabad wohne. Wir haben und oft und lange unterhalten. Eines abends hat mir Yasir den Fastenmonat erklärt. „Wer fastet, steht morgens gegen drei Uhr auf und isst, denn tagsüber darf das niemand. Trinken auch nicht.“ Und nicht rauchen, was ich besonders anstrengend finde. Yasir ist ein gläubiger Muslim aus einem kleinen Dorf in den Bergen im Nordostens Pakistans. Hier verdient er Geld, das er zum Teil nachhause schickt. In seinem Dorf gibt es kaum Arbeitsmöglichkeiten; nur deshalb ist er in der Hauptstadt.
Einen Tag fasten – aus Respekt gegenüber dem Islam
Er strahlt, während er mir weiter den Ablauf eines Tages im Ramadan erklärt: „Kurz vor vier Uhr spricht man ein Gebet, trinkt einen Schluck Wasser – und fastet. Abends dann, mit dem Sonnenuntergang, begeht man gemeinsam den Iftar.“ Yasir hat mir aufgeschrieben, was ich machen muss, wenn ich fasten will. Ich bin nicht gerade religiös, aber ich habe mich daran gehalten. Nur einen einzigen Tag habe ich gefastet. Und nicht einmal geraucht.
Ich wollte den Menschen und ihrer Religion einfach meinen Respekt bezeugen. [/grey_box]
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