Menschenrechte | Auch wir müssen dafür kämpfen
TS|BN 30. Dezember 2016 Erst vor gut zwei Wochen haben wir den Internationalen Tag der Menschenrechte begangen. Es ist der Tag, an dem die Vereinten Nationen die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ verkündet haben. Das war 1948. Heute stehen die human rights weltweit unter Druck. In der Türkei, in Ägypten, in Polen und Ungarn. Seit dem 10. Dezember werden sie wieder und wieder mit Füßen getreten.
Menschenrechte als entscheidendes Fundament
Manchmal braucht es Tage. Bestimmte Tage. Tage mit Namen, die nicht Montag, Dienstag undsoweiter heißen. Vielmehr solche wie der Internationale Tag der Menschenrechte, der nicht einmal drei Wochen vorüber ist. Die meisten werden das vergessen haben. Meist nehmen wir dieses Wort nur als leere Hülse wahr. Ohne konkreten Inhalt, ohne jede Bedeutung. Sicher, wir sind erschüttert mitunter erschrocken manchmal, entsetzt selten. Dabei ist die Abwesenheit von Menschenrechten – als System – allgegenwärtig. Selbst in der Europäischen Union zerbröseln Regierungen deren Fundament. Dabei kann eine liberale Demokratie ohne sie gar nicht atmen.
Aktuelles Beispiel für das Verschwinden von Menschenrechten:
So zerstört Órban die Freiheit: Das ungarische Medien-Unternehmen „Mediaworks“ steht der Órbanregierung sehr nahe. Im Oktober haben diese Leute (österreichische Eigentümer) die Tageszeitung „Népszabadság“ geschlossen. Von heute auf morgen. Die „Népszabadság“ war das wichtigste Oppositionsblatt Ungarns. Nur zwei Wochen später verkauften die Eigentümer alles weiter – an ein schwer durchschaubares Geflecht von Firmen. Dieses wiederum wird von einem Mann namens Lörincz Mészáros kontrolliert. Der Typ ist ein guter Kumpel von Órban. So zerbricht man das Fundament der Demokratie, die freie Presse.
Wir Demokraten sind zu faul
In unserem Land nehmen wir Menschenrechte nicht nur täglich wahr, sondern sogar in Anspruch. Wir haben ihn auch, diesen Anspruch. Es jene Rechte, die uns gehören. Das auf freie Meinungsäußerung und das, in einer Partei zu sein oder frei und geheim wählen zu dürfen, wen wir wollen. Wir dürften sogar die Rechtsextremen von der AfD wählen oder irgendwelche anderen Demokratiezerstörer. Aber was tun wir? Wir lassen uns von Facebook besoffen machen. Twitter benutzen wir viel zu oft nur als eruptives Hasstool. Asoziale Netzwerke sind sie längst geworden, für und durch die meisten User. (Den Begriff „soziale Netzwerke“ haben wir übrigens inzwischen auf den innerredaktionellen Index gesetzt; im Konsens natürlich.)
Wenn sich Demokraten ausschließlich darauf beschränken, sich online zu äußern oder nicht einmal das zu tun, dann bekommen die Menschenrechte ein ernstes Problem. Dann ist es ein Leichtes, sie zu minimieren. Wenn Human Rights Watch oder Amnesty zu Onlinepetitionen aufrufen und sich viele daran beteiligen, ist das gut. So kann Druck auf Al-sisi, dem Diktator von Kairo, ausgeübt werden. Kairo liegt in Ägypten, wo viele Deutsche allzu gern Urlaub machen. Oder auf König Faisal in Saudi-Arabien, an den unser Land ja fröhlich Waffen verkauft. Und wo der Blogger Raif Badawi zu 10 000 Peitschenhieben verurteilt wurde. Oder wenn TTIP-Gegner sich über das Netz organisieren ist das auch eine Möglichkeit der Mobilisierung, die es vor dem Internet so nicht gab. Unsere parlamentarische Demokratie indes ist eben eine parlamentarische Demokratie. In den Parlamenten fallen Entscheidungen, die zu Gesetzen werden. Diese organisieren unser Zusammenleben. Dorthin gehören Leute, die es ernst meinen mit den Menschenrechten. Die frei genug sind, immer dann zu brüllen, wenn sie von Folter und Unterdrückung erfahren.
Willkür, Verhaftungen, Folter
Wer sich weigert, sich in Parteien zu engagieren, sollte geflissentlich häufiger seinen Mund halten. Jedenfalls dann, wenn er dieses System kritisiert – ohne sich auch nur eine Stunde pro Monat in langweiligen Parteisitzungen aufzuhalten. Nein, Parteipolitik ist nicht gerade sexy. Selbst innerhalb dieser Strukturen wird gekämpft. Nicht schön, von außen betrachtet. Dennoch sind es die Parteien, die an der „Willensbildung des Volkes mitwirken“, wie es im Grundgesetz steht. Also gehören Demokraten in Parteien. Wer sich darin nicht engagiert, wird anders repräsentiert. Oft nicht so, wie er oder sie es gerne hätte. So einfach ist das.
Sehen wir aber nach Polen, Ungarn oder die Türkei, sollten wir leicht erkennen, wohin es führt, wenn die echten Demokraten zuhause bleiben. Die ungarische FIDESZ oder die polnische Regierungspartei PiS sind deshalb am Ruder, weil die Demokraten sich nicht ausreichend um die Menschenrechte gekümmert haben. Jedenfalls nicht um das Recht der freien Wahl. Von der Türkei zu schreiben bedeutet inzwischen, nicht mehr von Demokratie sprechen zu können. Willkür herrscht dort. Tausende von Verhaftungen hat es dieses Jahr gegeben; vor dem Putsch übrigens auch schon, nur verdeckter. Und in den Gefängnissen wird gefoltert. Gewiss, wir sind weit von Verhältnissen wie denen in diesen drei Ländern entfernt, vor allem von jenen in der Türkei. Wenn wir aber die AfD zu Ende denken, dann wird Unfreiheit mehr als nur ein Wort sein.
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