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Stasi | Wo Recht zu Unrecht wird

Die Stasi war (und ist) eine Krake. Diese Tiere verstehen es, sich extrem gut zu tarnen. Sie können zudem viele unterschiedliche Dinge gleichzeitig tun. Der Fall Andrej Holm ist ein Paradebeispiel für solches Verhalten. Dabei geht um Opfer der DDR-Staatssicherheit. Sie leiden bis heute. Die Täter dagegen werden schon mal Staatssekretär.

Stasi-Debatte muss endlich Opferdebatte werden

TS|BN 19. Dezember 2016 Damit keinerlei Irrtum aufkommt: ich war nie und bin kein Stasiopfer. Das sind andere. Jene, die in der DDR und Ost-Berlin gelebt haben. Diejenigen, die auf berufliche Karriere und Privilegien verzichtet und mit persönlichem Einsatz für Menschenrechte gekämpft haben. Das waren und sind Rechte, derer wir uns gerade erst wieder am 10. Dezember erinnert haben, dem „Internationalen Tag der Menschenrechte„. Jedes Jahr an diesem Tag wird an die Unterzeichnung der Menschenrechts-Charta der Vereinten Nationen erinnert. Diese hatten die SED-Machthaber unterschrieben. Das war also geltendes, internationale Recht – auch für die DDR.

Stasi - Falschaussagen von Holm laut "Tagesspiegel"
Aus: „Tagesspiegel“ (HU ist Humboldt-Universität)

Jenes Recht wurde durch die SED – und in ihrem Auftrag durch die Stasi – gebeugt. Systematisch unsystematisch geschah dies; also so, wie es Diktaturen tun, die Willkür zum Prinzip erheben. Denn nur so bleibt ein Regime für seine Feinde unberechenbar. Leute wie der Berliner Staatssekretär Holm haben sich daran aktiv beteiligt. Das gibt er – jetzt – zu. Er ist also Täter. Andere sind Opfer. Durch seine Tat hat er Recht zu Unrecht gemacht. Selbst, wenn die Gesetze in der DDR und Ost-Berlin seine Taten legalisierten, so hat er eklatantes Unrecht begangen. Über die Opfer der Stasi wird gerade kaum gesprochen. Hier sind nur einige Namen, damit das Wort „Opfer“ nicht gänzlich im Abstrakten stecken bleibt: Ralf Hirsch, Freya Klier, Stephan Krawczyk, Rainer Eppelmann, Wolf Biermann; auch die inzwischen verstorbenen Bärbel Bohley und Jürgen Fuchs gehören dazu. Die Liste ist natürlich viel zu lang, um sie hier zu vervollständigen.

Tätige Reue statt später Stasi-Offenbarung

Im Jahr 1990 bin ich in Neukölln einem Bekannten begegnet, den ich einige Jahre nicht mehr gesehen hatte. Er stammte aus Ost-Berlin. Das war noch vor der Verabschiedung des Stasiunterlagen-Gesetzes. Er offenbarte sich mir gegenüber damals als „Inoffizieller Mitarbeiter“ der Stasi.

Ich habe für die Stasi gearbeitet. Ich war IM.

Ich habe denen einen Grundriss Deiner Wohnung gegeben.
Ja, sie waren bei Dir drin. Sie haben öfter auf der anderen Straßenseite geparkt und Deine Wohnung beobachtet.
Wer Dich wann besucht hat und wie lange wollten sie herausfinden
. Sie wollten wissen, wie Du so drauf bist,
was für ein Typ. Mit wem Du Kontakt hast. Sie haben mich
mit meinem Kind in Ost-Berlin erpresst. Irgendwann habe gesagt, dass ich nicht mehr will. Das ging dann ganz einfach.

Dann war es endlich vorbei.

Das war, wie gesagt, 1990. Der Stasi-Mann Holm aber hat bis vor wenigen Wochen seine Tätigkeiten weitgehend verheimlicht. Er hat geschwiegen. Damit hat er gelogen. In welchem Kontext er gearbeitet hat, mag jede/r im „Handbuch der Staatssicherheit“ nachlesen. Mein Bekannter war ebenfalls Täter. Er hat sich offenbart, sich entschuldigt. Die Tat bleibt. Aber er war nicht nur mir, sondern auch sich selbst gegenüber ehrlich; seiner Familie gegenüber ebenso. Er hat es bereut. Holm hat ein paar Dinge „vergessen“, nicht korrekt dargestellt, unvollständige Angaben gemacht. Auf einer Pressekonferenz formulierte er es so: Fehlende Aussagen seien „keine absichtliche Lüge“ gewesen, sondern sein „damaliger Wissensstand“. Dialektik pur.

Auch der linke Fisch stinkt vom Kopf © Tom Rübenach
Auch der linke Fisch stinkt vom Kopf © Tom Rübenach

Das größte Defizit der „Linken“ ist ihre Unglaubwürdigkeit

Es gibt nicht wenige, die die Leistungen Holms als Soziologe schätzen. Diese Arbeit hat mit der jetzigen „Stasi-Debatte“ nichts zu tun. Seine Arbeiten zu Gefahren der Gentrifizierung haben ihm Anerkennung eingebracht, wenngleich sicher nicht bei Immobilienhaien oder anderen Betonköpfen. Die Lage für Mieter in Großstädten ist ja in der Tat himmelschreiend. Bei aller fachlichen Kompetenz indes bleibt die Frage: wieviel Zynismus steckt in jemandem, der nur deshalb einen opportunen „Wissensstand“ vorschiebt, um Karriere zu machen?

Auch für Bettgeschichten interessierte sich die Stasi © Tom Rübenach
Auch für Bettgeschichten interessierte sich die Stasi © Tom Rübenach

Ein Künstler, der gegen das SED-Regime gekämpft hat, sagte mir im vergangenen Jahr: „Wäre ich bei der Stasi gewesen, wäre meine Rente jetzt sicher.“ Er sagte es ohne Gram. Schließlich hat er gegen das SED-Regime und für Menschenrechte gestanden und bereut dies bis heute keinen Wimpernschlag lang. Die „Linke“ dagegen ist vollkommen unglaubwürdig. Mit ihrer geschichtlichen Verantwortung geht sie leichtfertig um. Die Nachfolger der SED und PDS haben bis heute nicht über alle Flügel hinweg bekannt, dass das SED-Unrecht Unrecht war. Es gibt keine von ihr initiierte Stiftung für Stasi-Opfer und SED-Unrecht. Ihr allzu kompromissbereiter Umgang mit Leuten wie Holm lässt sie auch in anderen Bereichen als unglaubwürdig wirken.

Der inzwischen 80jährige Wolf Biermann brachte den Zustand der „Linken“ vor gut zwei Jahren im Bundestag auf einen Nenner. Die Linke sei „der elende Rest dessen, was zum Glück überwunden ist„. Solange die „Linke“ ihre Glaubwürdigkeit nicht herstellt, wird das auch so bleiben.

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