Afrikanische Hände © Tom Rübenach

Afrika | Wenn der große Hunger kommt

TS|BN 22. Februar 2017 „Wenn der kleine Hunger kommt.“ Ein internationaler Konzern wirbt mit diesem unappetitlichen Slogan für Milchreis. Alles Müller, oder? Was aber, wenn der ganz große Hunger kommt, wie jetzt im Südsudan? Wo die Menschen überleben, geht es um ganz andere Herausforderungen. Wenn der Hunger nach Freiheit und bloß ein bisschen Frieden immer größer wird?

Selbst Publikationen wie die „Wirtschaftswoche“ schämen sich nicht, den „kleinen Hunger“ in eine Überschrift zu packen. Dann geht es um Süßigkeiten am Arbeitsplatz. Die „Apothekenumschau“ tut es ihr nach. Mit der gleichen Überschrift wie die WiWo geht es ihr – selbstverständlich – nur um die Gesundheit ihrer Leser. Echter Hunger, mit dem es inzwischen vier afrikanische Länder zu tun haben, sieht anders aus. Dort geht es um den Tod. Der sogenannte Welt-Hunger-Index listet die Länder, die vom Hunger am stärksten bedroht sind. Hier die Zahlen von 2015.

Hunger | Bedeutungsverlust der Begriffe

Wenn früher Kinder von der Schule nachhause rannten und ihrer Mutter zuriefen: „Mama, ich habe Hunger!“, gab es häufig zur Antwort: „Ihr wisst ja gar nicht, was Hunger bedeutet.“ Ja, meist waren es in den 60er und 70er Jahren die Mütter, und diese hatten das Ende des Krieges noch erlebt. Viele von ihnen jedenfalls. Kinderaugen wurden gerollt, gestöhnt, widersprochen. Dabei gibt es andere Begriffe für dieses Gefühl, etwas essen zu wollen. Appetit oder Kohldampf haben etwa – oder einfach Lust auf Essen. Gewiss, man kann es übertrieben mit der Sprache. Schließlich meint man ja genau das damit. Dennoch: wer ein Wort wie Hunger benutzt, entfernt sich zunehmend von dem, was das Wort eigentlich bedeutet.

[grey_box] 1,4 Millionen Kinder in vier Ländern Afrikas sind jetzt, während ich diesen Artikel schreibe, unmittelbar vom Hungertod bedrohtDas ist schwer auszuhalten. [/grey_box]

Einen ähnlichen Bedeutungsverlust erleben wir dem Wortungeheuer „Fluchtursachenbekämpfung“. Meist soll allein die Nutzung des Wortes suggerieren, es geschähe etwas. Tut es auch. Nur meist ist das Falsche. Die wahren Fluchtursachen sind wir selbst und die Art, wie wir leben. Dazu haben wir uns im vergangenen Jahr unterschiedlich geäußert. Gewiss, der Hunger im Südsudan ist – wie man in der NGO-Sprache sagt – menschgemacht, also keine Naturkatastrophe wie eine Flut oder ein Erdbeben, das die Natur gebiert. Es sind in diesem Fall vor allem ein brutaler Bürgerkrieg und unermesslich große Korruption.

Ein Kind, das an Hunger stirbt, wird ermordet. Jean ZieglerKeine Perspektive für niemanden

Dennoch bleibt Chancenlosigkeit der stärkste Antrieb zur Flucht für Hunderttausende. UNICEF hat im vergangenen Jahr berichtet, dass 250 Millionen Kinder in Konfliktregionen aufwachsen. Wo keine Perspektive für niemanden herrscht, da flieht man. Vor Ausbeutung, Kinderarbeit, Krieg, Bomben, Unfreiheit. Auch, wer politisch verfolgt wird, will raus in ein freies Leben. Wer sich nicht mehr informieren kann über die Herrschenden und nicht mehr imstande ist, sich tatsächlich frei zu entscheiden, der sucht woanders danach. Denn wie kann sich jemand wirklich frei entscheiden, dem die nötigen Informationen fehlen? Weil totalitäre Leute wie Erdoğan sie abschalten. Oder weil Unterdrücker foltern, wenn ihnen einer nicht passt. Und weil, wer nicht auf der Seite der Herrschenden ist, Gefahr für Leib und Leben besteht.

Jean Ziegler hat geschrieben: „Ein Kind, das verhungert, wird ermordet.“ Der Schweizer ist laut, aggressiv und kompromisslos. Er hat lange für die UNO gearbeitet und gesehen, was die „internationale Staatengemeinschaft“ (nicht) tut. Solange wir – als reicher Teil der Erde – unseren Wohlstand nicht aufteilen, wird es Flucht geben. Geregelte Aus- und Einwanderung ist nicht das Hauptproblem der Leute. Das entspricht unserer Denkweise, weil wir nicht einmal eine Ahnung davon haben, warum man seine Heimat verlassen sollte. Ohne Formalitäten werden sie abhauen aus all jenen Ländern, mit denen wir blendende Geschäfte machen. Wovon die Leute aber nichts haben. Der Reichtum, den es ja in jedem Land gibt, wird weiterhin gerecht verteilt: unter denen, die eh schon alles haben. Viele Profiteure der Ausbeutung leben auch in Deutschland sehr gut.

Hunger: Nicht nur nach Essen und Trinken

Abschottung ist noch so ein schrecklicher Begriff, gleichgültig ob man dafür oder dagegen ist. Auch hier: Bedeutungsverlust des Wortes auf der ganzen Linie. Wir schotten uns nicht ab. Wir verbarrikadieren uns. Wir bauen keine „schöne Mauer“, die andere auch noch bezahlen. Wir bauen indes Mauern so hoch, dass wir die grässliche Armut nicht sehen müssen. Wir feiern Karneval; das ist gut und richtig und – Tradition. Kamelle werden geworfen. Wäre ich da, würde ich auch welche zu fangen versuchen. Aber nur ein Narr kann dauerhaft glauben, dass es immer so weiter geht wie bisher. Dies zu hoffen wäre mehr als gewagt. Das Internet ist ein weit offenes Scheunentor, durch das jede/r heutzutage sehen kann, wie es woanders aussieht. Das gilt vor allem für die in der Dritten Welt. Sie können auf einmal sehen, wie wir leben. Wie wir feiern. Worüber wir diskutieren. Und dann sagen sich unsere Nachbarn in Afrika: Na, wenn das Eure Probleme sind, die möchte ich auch gern haben. Ich komme. Und wer würde es ihnen nicht gleichtun, wenn er könnte?

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Wir wollen in einer gerechten Welt leben. Das christliche Abendland gibt es vor. Nicht das von Pegida oder AfD. Das wirkliche, das in der Bibel steht: „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst.“ Klingt altmodisch, verstaubt und etwas zu salbungsvoll. In unserer Sprache bedeutet das im Kern nichts anderes als: Trauen wir uns, neue Wege raus aus dem Hunger zu pflastern. Dem nach Essen und Trinken, nach Freiheit und Chancen, nach Gerechtigkeit und Perspektive. Verzichten wir auf wenig und helfen damit viel. Das geht zum Beispiel mit Spenden an die Aktion Deutschland hilft, die TS|BN ausdrücklich empfiehlt. Mit dem Klick auf das Logo (oben) kommen Sie automatisch zur Spendenseite.

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