Islam | Muslime begehen Ramadan
Fasten ist bei vielen Christen längst aus der Mode gekommen, im Islam dagegen spielt es immer noch eine große Rolle. Selbst Muslime, die nicht gerade streng religiös sind, fasten. An diesem Wochenende beginnt der Fastenmonat Ramadan. Neunundzwanzig Tage lang darf nur nach Sonnenuntergang gegessen und getrunken werden.
TS|BN 26. Mai 2017 Die Religiosität der Muslime hat mich oft beeindruckt. Ich erinnere mich an eine ewig lange Autofahrt im Tschad von der Hauptstadt in den Norden. Irgendwann hörten die asphaltierten Straßen einfach auf. Es gab nur noch Feldwege; mitunter konnte man nicht einmal mehr davon sprechen. Es ging kreuz und quer durch die Walachei. Der Fahrer war ein lustiger Bursche, sicher weit über sechzig Jahre alt. Ich sehnte mir die Pausen zwischendurch fürs Rauchen herbei. Der Mann wollte beten. „Ihr könnt jetzt rauchen,“ sagte er zu uns und lächelte. Er nahm seinen alten Teppich unten den Arm und begab sich unter einen Baum. Er hätte ohne seine Gebete einfach nicht weiterfahren können.
Islam und Christentum
In vielen nicht muslimischen Ländern wird der Islam allzu oft als gewalttätig beschrieben. Das ist Unsinn. Ebensowenig wie das Christentum ist er partout gewalttätig. Der Papst hat das in seiner einfachen Art auf den Punkt gebracht. Aus unserer westlichen Perspektive wirkt der Islam mitunter aus der Zeit gefallen. Patriarchat, Zwangsbeschneidung von Frauen, Familienehre – all diese und noch mehr Vokabeln werden genannt. Zu viele assoziieren diese – uns weitgehend unbekannte Religion – fast ausschließlich mit Gewalt und Verbrechen. Auch dies ist natürlich vollkommen daneben.
„Der eine tötet seine Freundin, der andere tötet seine Schwiegermutter,“ sagt Papst Franziskus. Aber er fügt hinzu: „…und das sind alles getaufte Christen.“ Es war ein Gespräch mit Journalisten, als er von einem Besuch wieder nachhause flog. Sinngemäß sagte er im vergangenen Jahr in diesem Zusammenhang: jeden Tag könne man in den Zeitungen von Gewalttaten in Italien lesen – „und das sind getaufte Katholiken, es sind gewalttätige Katholiken.“ Franziskus ist ein weiser Mann. Er ist viel zu spät Papst geworden.
Zwanzig Stunden fasten?
Das Schönste am Ramadan ist der Iftar. Abends, wenn es dunkel wird, treffen sich Familie und Freunde. Dann wird das Fasten gebrochen. Ich habe einmal einen ganzen Tag gefastet, in Pakistan. Ich hatte ein schlechtes Gefühl gehabt. Ich hatte immer meiner Wasserflasche dabei, bekam ein Mittagessen und durfte rauchen. Ein Bekannter hat mir schließlich erklärt, wie das geht mit dem Ramadan: in aller Herrgottsfrühe aufstehen, etwas essen und trinken und natürlich beten. Danach wieder ins Bett. Nach dem Aufstehen nichts mehr. Kein Kaffee, kein Brötchen, kein Wasser, keine Zigaretten. Ich habe mir den Respekt aller „erfastet“, soviel kann ich sagen.
Wer muslimische Freunde hat, sollte mit ihnen unbedingt einmal einen Tag gemeinsam fasten. Gleichgültig, ob er oder sie nun Christ oder Hindu oder Buddhist ist. Oder an gar nichts glaubt. Allein dieses eine Mal schafft eine sehr besondere Verbindung. Es ist Ausdruck von Respekt für eine der großen Weltreligionen, die durch die Tat erst wirklich glaubwürdig wird. Und gewiss entstehen so Begegnungen, Gespräche und gegenseitiges Verständnis. Nein, niemand muss das tun, um zu beweisen, wie tolerant er ist. Auch nicht, um ein guter Mensch zu sein. Das geht auch anders, keine Frage. Gleichwohl bedeutet das aktive Verstehen sicherlich mehr als nur das Lesen, Hören, Sehen.
Der Islam gehört zu Deutschland
Der Ramadan ist eine von insgesamt fünf „Säulen des Islam“. Körper und Seele sollen gereinigt werden in dieser Zeit. Laizistisch geht das für viele sicher ebenso gut mit „Heilfasten“. Aber selbstverständlich hat der Ramadan – ebenso wie die christliche Fastenzeit – im Kontext des Glaubens eine andere Bedeutung. Der Islam gehört natürlich längst zu Deutschland. Und weil das so ist, müssen wir uns mehr Mühe geben. Wir müssen anfangen, das alles verstehen zu wollen. Tolerieren sowieso. Das bedeutet keineswegs, einen Maulkorb zu tragen. Kritische Fragen sind erlaubt. Sie sind sogar wichtig.
Nur wirklich offene Gespräche mit unseren muslimischen Mitbürger wird zu einem friedlichen Zusammenleben beitragen. Hass und widerliche Hetze haben wir schon genug in unserem Land. Überlassen wir solchen Dreck getrost den Rechts- und Linksextremen. Der Islam und das „Christliche Abendland“ haben mehr gemeinsam als viele denken. Ich selbst bin nicht sehr religiös. Aber ich habe für meine muslimischen Freunde eine Art Grußkarte zum Ramadan gebastelt. Ich weiß, sie freuen sich darüber.
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