Die AfD zuende denken: Endtstaion © Tom Rübenach

Endstation | Die AfD zu Ende denken

Endstation oder: Die AfD zu Ende zu denken treibt einem den Horror in die Glieder. Was wäre eigentlich, wenn die AfD die Macht im Land hätte? Die Brücke zwischen der AfD und den Nazis ist fein austariert. Sie ist weich, fast ohne Übergang. Die einen hetzen. Die anderen machen, was die einen sagen.

Rechte Gewalt mit Flaschen und Messern

TS|BN 25. August 2017 In Dorstfeld spielt ein junger Mann mit seinen Freunden Pokémon Go. Ich kenne es nur aus Beschreibungen und völlig abgefahrenen Videos im Netz. Man muss vermutlich einen kleinen Schuss haben, um da mitzumachen. Aber es ist ein friedliches Spiel soweit ich weiß. Während die Jungs spielen, wird einer der Jungs von Nazis mit Flaschen beworfen, wie aus heiterem Himmel. Der junge Mann ist Mitglied der Jungen Linken.

Das war nicht die erste Attacke der Rechtsextremen gegen Linke in der Stadt im Ruhrgebiet. Ebenfalls im August haben Maskierte vor der Wohnung des selben 24jährigen gewartet. Dann haben sie auf ihn eingedroschen und zwei Mal mit dem Messer zugestochen. Es herrscht ein Klima der Gewalt gegen Nazigegner in Deutschland. Dennoch machen solche Attacken keine Schlagzeilen.

Deutschland hat ein Wahrnehmungsproblem

Stattdessen verfolgt das Publikum verunsichert die Debatte um ein Burkiniverbot in Frankreich. Inzwischen wurde es vom Französischen Staatsrat, dem höchsten Verwaltungsgericht, aufgehoben. Dieser meist aus zwei Teilen bestehende Badeanzug entzweit auch viele Gruppen in Deutschland. Türken nennen ihn Tesettür Mayo oder Hasema. Damit beschäftigen wir uns also in der sogenannten „Republik“. Fazit der Beobachtungen: Deutschland hat ein veritables Wahrnehmungsproblem.

Endstation AfD. so sieht die AfD die Gutmenschen
Facebook post von Frau Schneider © facebook

Es geht substantiell gar nicht um Burkinis oder immer häufigere Übergriffe – auch gewaltsame – gegen Gegner von AfD, Nazis und anderen Hetzern. Das Land muss endlich beginnen, sich mit der veritablen Gefahr durch Rechtsradikale- und Extremisten auseinanderzusetzen. Ein Artikel wie dieser ist nicht ausreichend, um all die Thesen, Hetzereien oder geistigen Schmierfinken zu benennen, mit denen wir es zu tun haben. Einige Beispiele sollen gleichwohl dazu dienen, zu beschreiben, mit wem wir es zu tun haben.

Endstation – Die AfD zu Ende denken

Wie sähe Deutschland aus, hätten die Rechten die Macht? Was, wenn wir die AfD einmal zu Ende denken? Was wäre die mögliche Endstation? Müssten Schwule wieder einen „Rosa Winkel“ tragen wie bei den Nazis? So wie es die Juden mit ihrem Stern mussten? Und Muslime trügen vielleicht eine stilisierte Moschee an ihrer Kleidung? Diese Fragen stellen sich, wenn man die AfD beobachtet, nicht nur in Thüringen. Vor einem knappen Jahr wollte sie allerdings dort herausfinden, wieviele „Schwule, Lesben und Transgender“ in dem Land leben – mithilfe einer parlamentarischen Anfrage. Also mithilfe eines jener Parlamente, das sie als korrupt und von Altparteien durchsetzt bezeichnen.

Gegen Kritik setzt die Rechtspartei dann sehr geschickt Personen. Jana Schneider zum Beispiel. Sie ist Vorsitzende der AfD-Jugend und lesbisch. Also was soll die Fragerei, ob die AfD rassistisch oder sexistisch ist? Ganz einfach: Nur einen Tag nach den Terroranschlägen in Paris postet sie das hier auf Facebook:

[grey_box] „Moscheen schließen. Ausländische Muslime ausweisen. Konten einfrieren. Internetseiten lahmlegen. Systematische Hausdurchsuchungen. Grenzen dicht.“ – Jana Schneider, AfD [/grey_box]

 

Ihre eigene politische Einstellung bezeichnet in diesem Netzwerk sie selbst als „Konservativ – Kulturkonservativ, nationalkonservativ, souveränistisch, säkular, paläolibertär, kulturpessimistisch, bellizistisch.“ Was immer das alles bedeutet. Dass auch sie nicht davor zurückschrecken würde, Flüchtlinge einfach rauszuschmeißen ist keine Frage.

Methode Schneider und AfD: Irgendwas wird hängenbleiben

Dass jemand lesbisch ist bedeutet nicht, dass sie auch liberal ist – wie man sieht. Es wird Kreide gefressen, manchmal. Da werden Sprechblasen formuliert, die die „besorgten“ Bürger ganz einfach nachplappern können. Etwa sowas, auch von Frau Schneider, 22 Jahre jung übrigens, auch bei Facebook: „Deutscher Staat und EU setzen Prioritäten: Die eigenen Grenzen nicht vernünftig sichern können, aber dem mündigen Bürger Mentholzigaretten wegnehmen. Danke.“ Schwups hat man auch die Mentholrauchenden des Landes bei der Stange. Gegen die EU und für Grenzschließungen sind die sowieso.

Das ist das Prinzip AfD und Rechte: Themen vermischen und größtmöglich verwirren. Irgend etwas wird schon dabei sein, was die verunsicherte AfD-Klientel gern hört. Damit diese dann bei Kundgebungen laut grölen und „Genau!“ rufen kann. Mentholzigaretten und die Flüchtlingsfrage gehen also zusammen. Beides hat nicht das Geringste miteinander zu tun. Und doch sprechen die Agitatoren Themen auf ihre ganz eigene Weise an. Verwirrend, überfordernd, extrem manipulativ.

Nazis und AfD: Manchmal auch für Pressefreiheit

Das wird an der Forderung nach Freilassung einer niederländischen Journalistin deutlich. Sie war in der Türkei verhaftet worden. Bei solchen AfD-Forderungen wird indes nicht gegen Erdogan Position bezogen, sondern implizit das Flüchtlingsthema aufgegriffen. Es ist pathologisch: Weil sich die Kanzlerin zur Untertanin des Herrschers vom Bosporus gemacht hat, setzt man sich dort für die Freiheit einer Journalistin ein. Für den selben Berufsstand also, den man hierzulande verteufelt, attackiert, beschimpft. Wenn es der eigenen Hetze dient ist die AfD sogar für eine freie, unabhängige Presse. Sonst nicht.

Die junge rechtsradikale Aktivistin spricht prinzipiell und ohne besondere Unterscheidung bei Medien in Deutschland von „Dummgelaber unserer linksliberalen Weichmedien“. Ausnahmen sind ausschließlich taktischer Natur. Was wäre, hätte die AfD in Deutschland das Sagen? Würde es die unterschiedlichsten Medien noch geben? Was wäre geduldet? Was verboten? Was dürfte geschrieben werden? Wo begänne die Zensur, wo hörte sie auf? Solche Fragen stellt die AfD wohlweislich nicht, damit sie diese nicht beantworten muss. Hier stehen sie.

Nur selektive Akzeptanz Andersdenkender

Wie agitatorisch die Rechten zu manipulieren verstehen zeigt ein weiteres Beispiel: Breite Debatte um einen Bericht der ZDF-Journalistin Dunya Halali im vergangenen Oktober. In Erfurt hatten sich die „Besorgten“ um den AfD-Scharfmacher Höcke versammelt. Halali war mit einem Kamerateam vor Ort, um den mittwöchlichen Irrsinn einmal zu dokumentieren. Sie wollte viele AfD-Anhänger zu Wort kommen lassen. Indes, sie war Attacken und Beleidigungen ausgesetzt. Schließlich war und ist sie Repräsentantin der „Lügenpresse“.

Hier schleicht Frau Schneider weich umher. Nun, man müsse auch mit manchen von diesen Leuten reden, lässt sie sich ein. Wiederum auf Facebook schreibt sie, es gäbe durchaus einige ÖR (Öffentlich-Rechtliche, d.Red) Vertreter, mit denen man sprechen könne. Und wieder die Frage: Was wäre, hätte die AfD die Macht? Wer dürfte weiter berichten? Wer nicht? Mit wem würde man noch sprechen (dürfen)?

Keine Diskussion mit der AfD mehr, nur noch Enttarnung

Angstvoll Richtung Endstation: CSU-Scheuer ©Twitter
Angstvoll Richtung Endstation: CSU-Scheuer ©Twitter

Die Zeit jedweden Verständnisses ist vorüber. Wer heute noch behauptet, er/sie/es sei in Sorge um das Land und wähle deshalb die AfD: Pardon, das läuft nicht mehr. Der Dialog neigt sich dem Ende entgegen. Nicht weniger meine Geduld und mein Verständnis. Diese Leute missachten, verachten und missbrauchen unsere Demokratie. Deutschland ist ein liberaler Rechtsstaat. Da gelten Pluralismus, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit. Punkt.

Wer angesichts der unbändiger Hetze und des widerlichen Hasses dieser Partei nachläuft oder sie gar wählt, hat mit unserem Staat nichts am Hut. Er gehört nicht hierher. Er möge, wie vereinzelt bereits geschehen, nach Ungarn auswandern und dort sein undemokratisches Glück suchen. Viel Spaß in Órban-Land! Wer Autokratien tatsächlich unserem Land gegenüber bevorzugt, der möge bitte gehen. Wir packen ihnen gern ihre braunen Koffer. Wer hier bleibt, der sei gewiss: Toleriert werden sie immer. Das haben Demokraten ihnen ja ohnehin voraus.

Deutschland ist nicht Angstland

Der Papst predigt Toleranz, die AfD Hass © ARD
Der Papst predigt Toleranz, die AfD Hass © ARD

Aber es wird keinen Jota Verständnis mehr für die geben, die von Blut und Erde faseln. Oder die im Namen ihres christlichen Abendlandes Andersgläubige verteufeln. Es gibt kein Verstehen mehr von angeblichen Sorgen oder Ängsten. Deutschland ist nicht Angstland, in dem jeder ungestraft sein politisches Süppchen kochen können wird. Damit erst gar keine Freude aufkommt, oder Häme: das gilt unabhängig von den Wahlergebnissen in MeckPomm oder Berlin. Nur das demokratische Deutschland mit jener schwarz-rot-goldenen Flagge, die den Rechten nicht gehört, bildet das Volk, das eine demokratische Zukunft gestalten kann. Demokratie ist nix für Weicheier, nur was für Kämpfer. Alles andere hieße Endstation AfD.

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