Deutschland in der Intelligenzkrise © Tom Rübenach

Intelligenzkrise | Deutschland braucht mehr Hirn

Deutschland hat ein veritables Problem: es geht dem Land einfach zu gut. Vor lauter Rekorden schwindet vielen der (darf man das sagen?) „gesunde Menschenverstand“. Staatskrise, Parteienkrise, Politikkrise? Weit gefehlt! Deutschland befindet sich in einer ausgewachsenen Intelligenzkrise.

Deutschland, das politische Kollektiv

TS|BN 28. November 2017 Es ist so eine Sache mit Publikumsbeschimpfungen. Das geht leicht nach hinten los. Wir wagen es trotzdem. Selbstverständlich beschimpfen wir hier niemanden persönlich. Es geht eher als das Kollektiv, das politische. Dabei schließen wir ausdrücklich all jene aus, die heute immer noch oder wieder die sogenannte AfD wählen würden. Da sind ja bekanntlich Hopfen und Demokratie verloren. Konzentrieren wir uns einfach auf die restlichen 87% (in Worten: siebenundachtzig). Die hatten sich immerhin unmittelbar nach der Bundestagswahl bemerkbar gemacht. Denn sie sind immerhin auch das Volk, und nicht nur jene Verirrten und Verwirrten, die extrem gewählt haben. 12,6% sind eben nicht die Mehrheit. Das wissen der Gauleiter und Björn Höcke und Konsorten natürlich. Aber sie versuchen, den Leuten das einzureden.

Bundestagswahl 2017 | Ergebnis
Bundestagswahl 2017 | Ergebnis

„Es ist ein einförmig Ding um das Menschengeschlecht“, schrieb Goethe im Werther. Heute passt besser: es ist unfassbar, wie die Deutschen in ihrer großen Mehrheit glauben, die Flüchtlinge seien unser größtes Problem. Niemand wird diese Frage klein reden, wer klar bei Verstand ist. Fehler wurden gemacht. Organisationskompetenz kam dabei kaum zum Vorschein; jedenfalls nicht 2015. Das BAMF war vollkommen unterbesetzt, und die Regierung hat vorher die europäischen Partner nicht ausreichend mit ins Boot genommen. Mag alles sein. Aber natürlich schaffen wir das.

Wir schaffen das. Logisch.

Wir, das ist Deutschland. Es sind einfach zu viele auf einmal in ein Land gekommen. Selbst dieses Land kann eben nicht alles und nicht alles sofort und schon gar nicht alles sofort gut. Das ist aber kein Grund, gleich Zeter und Mordio nachzurennen. Und das „Ich würde die zwar nicht wählen, aber irgendwie haben sie Recht“-Gequatsche ist aber auch kaum noch auszuhalten. Nein, die Rechts- und die Linksradikalen haben eben nicht Recht. Hunderttausende von Freiwilligen wird mit jeder dieser Bemerkungen in den Allerwertesten getreten. Merkt das eigentlich jemand? Gleichzeitig sind wir mit aller Kraft dabei, es zu schaffen. Wer seriöse Quellen heranzieht und nicht die Agitprop-Magazine von den Rändern wird das leicht erkennen.

Die Lüge, dass der Sozialstaat für die Flüchtlinge geplündert werde, ist nur ein Beispiel, dass von beiden Rändern kommt. Mit viel Trara vor allem von der AfD propagiert, gibt es solche Sprüche auch längst anderswo. Auch die Linke in Gestalt von Frau Sarah beteiligt sich an diesem Ammenmärchen. Ihnen brechen rechts die Leute weg. Und ihr selbstverliebter Mann von der Saar hat auch schon die rechte Hand ausgestreckt: „Bleiberecht und 1050 Euro für alle, die zu uns kommen, sind wirklichkeitsfremd.“ Kann schon sein. Aber was hat das mit sozialen Fragen in Deutschland zu tun?

Gauleiter und Linke

Der Gauleiter von rechts und der Bartsch von der PDS (aka „Die Linke“) reden auch oft ähnlich. „Kommt doch alle her!“ sei „kein Position der Linken“, sagt er vor ein paar Tagen dem Deutschlandfunk. Kann auch sein. Aber fordert das eigentlich irgendjemand? Abgesehen von den „Keine Macht für niemand“-Typen oder denen, die ernsthaft „Kein Mensch ist illegal“ auf ihren T-Shirts tragen: niemand. Und das sind noch weniger, als die AfD Stimmen bekommen hat. Da sind kompromissbereite und auf Konsens gerichtete Positionen der Grünen ausgesprochen angenehm. Solange aber in Deutschland nur von „Obergrenze“ geschwafelt wird und von der „Islamisierung“ und der „Angst“ – so lange besteht ein heftiges Intelligenzproblem. Würden sich die Leute wenigstens halb so intensiv mit solchen Fragen beschäftigen wie mit ihren Autos wäre viel gewonnen. Aber Gauleiter und Linke schüren stattdessen den Boulevard und die Hetze. Beide Seiten tun das mit ihren jeweiligen Vokabular. Substantiell vermögen wir kaum einen Unterschied auszumachen.

Leere Phrasen, glatte Fasade: die neue FDP © toDom.org
Leere Phrasen, glatte Fasade: FDP © toDom.org

Hinzu kommt noch ein Spieler: eine umgefärbte Partei, die sich liberal nennt, wird zunehmend österreichischer. Leere Hülle, Maßanzug und Schwarzweißfotos: das ist intelligent konzipiert. Deutschland dient es nicht. Lieber nicht regieren als schlecht? Aber klar. Wir sagen: lieber keine FDP als ein neuer Rechtsausleger in unserem Land. Gefährlich ist das, was die FDP gerade veranstaltet. Nicht, weil es womöglich zu einer neuen Koalition kommt. Oder zu einer Minderheitsregierung. Beides wird das Land überstehen. Es ist deshalb so gefährlich, weil sich trotz aller rhetorischen Brillanz die Lindner-Partei verheben könnte. Nämlich dann, wenn sie – ebenso wie die CSU – noch weiter rechts zu fischen versucht. Wozu das führt, ist in Bayern gerade zu besichtigen.

Die Intelligenzkrise in Deutschland

Lauter Rekorde vernehmen wir, nahezu täglich: bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigen, bei den Löhnen, bei den Renten, bei den Staatseinnahmen, bei den Versicherungen, bei den Ausgaben für Weihnachtsgeschenke. Na klar, es gibt viel zu viele, die zu wenig Rente haben. Das ist ungerecht. Fälle wie der von Siemens ist haarsträubend. Schulz hat Recht: das ist asoziales Verhalten. Soziale Marktwirtschaft sieht anders aus. Dennoch: Über 90% der Deutschen sind alles in allem zufrieden. Weniger als 10% geben an, nicht zufrieden zu sein. Da mögen Erwartung ebenso wie Bescheidenheit in die Antworten einfließen.

So viel Zufriedenheit © Statista
So viel Zufriedenheit © Statista

Wie wäre es eigentlich, die eigene Intelligenz dafür aufzuwenden, sich zu konzentrieren? Beispielsweise könnte man (oder Frau natürlich) mehr darüber nachdenken wie eine gerechtere Gesellschaft aussähe als irgendwelchen Scheißhaus-Parolen nachzulaufen (sorry, muss manchmal sein). Oder zu Weihnachten Asylbewerber zu Kaffee und Kuchen einzuladen? Die Leute, die ihre Heimat verlassen haben, sind ganz schön mutig gewesen. Sie sind vor dem Krieg abgehauen, der zum Teil mit Waffen aus dem sauberen Westen geführt wird. Sie flüchten, weil sie nicht mal von der Hand in den Mund leben können. Sie verlassen ihre Familien, Freunde und ihre Dörfer. Das tun sich nicht, weil sie es so cool finden. Sie tun es, weil sie überleben und eine bessere Perspektive wollen. Wir empfehlen: einfach mal nachdenken, Hirn einschalten. Oder – wenn man keine Ahnung hat – einfach mal das Maul halten.

 

 

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