Papst Franziskus: Brückenbauer @ Tom Rübenach

Papst Franziskus | Brückenbauer mit Kompass

Wenige Tage nach seiner Wahl zum Oberhirten der Katholischen Kirche sprach Papst Franziskus von der „Selbstbezogenheit im Klerus“. Diese habe die Kirche bisher daran gehindert, sich zu erneuern. Das ist heute fünf Jahre her.

TS|BN 13. März 2018 Die Mahnung, so ist zu befürchten, gilt bis heute. Noch immer und teils sogar stärker denn je versuchen sogenannte Würdenträger, sich dem Weg der Erneuerung von Papst Franziskus in den Weg zu stellen und somit das Tor für eine gute Zukunft der Kirche zuzuschlagen.

Der Mann aus Argentinien, den das Konklave vor fünf Jahren zum Papst wählte, braucht hingegen die Hilfe seiner Mitgläubigen – mehr denn je.
Das Katholische betrifft das Ganze, jedenfalls nach seinem Selbstverständnis. Katholisch bedeutet „allumfassend“. Indes, selbst der Papst – also der Oberhirte der Katholiken – kann niemals allumfassend oder gänzlich wirken. Auch er ist ein Mensch und dadurch in seinem Wirken limitiert. Selten allerdings in der jüngeren Kirchengeschichte traf der Begriff „Pontifex maximus“ präziser als auf diesen Papst. Franziskus ist ein Brückenbauer, der unablässig versucht, morsch gewordenes Bauwerk wieder so zu stabilisieren, dass die Gläubigen ihm wieder trauen.

Papst Franziskus, der Wesentliche | Grafik ZDF
Papst Franziskus, der Wesentliche | Grafik ZDF

Nur gelebte Bilder lassen auch die Kirche überleben

Die morsche Brücke als Metapher: viele Bilder werden in der Sprache der Kirchen benutzt. Die Bibel ist voll davon. Um der Kirche von heute das Überleben in einer vielfältigen und bunten Gesellschaft zu ermöglichen, müssen sie übersetzt werden. Mehr noch: nur wenn die Bilder leben, werden die Kirchen wieder atmen können. Lebendige Bilder sind das, was Papst Franziskus für Katholiken und Nichtgläubige gleichermaßen vorlebt.

Noch immer lebt er im Gästehaus des Vatikans und nicht im Palast. Immer wieder ermahnt er, das Wesentliche im Blick zu behalten und sich nicht ausschließlich theoretisch mit dem Glauben zu beschäftigen. Seine Fußwaschungen sind legendär, seine Besuche auf Lampedusa und Lesbos geben Zeugnis von einem, der sich um Arme und Benachteiligte kümmert. Seine Kritik am allzu brutalen Kapitalismus, der sich einen Dreck um Benachteiligte kümmert, klingen überzeugend. Ein Papst, der sich seiner eigenen Begrenztheit bewusst ist und dies ausspricht, das ist neu. Und es ist wohltuend.

Die Katholiken in Deutschland verlassen ihre Kirche dennoch, wenngleich die Kirchenaustritte in den beiden letzten Jahren geringer waren als zuvor. Der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, fordert zum Nachdenken auf: Es gehe nach wie vor darum, die Beweggründe für Kirchenaustritte zu verstehen. Das Handeln der Kirche sei „kritisch zu überprüfen, um es da – wo notwendig – auch neu auszurichten“.

Auch solche Nachdenklichkeit tut gut. An der Universität Siegen und der CVJM-Hochschule Kassel haben Professoren untersucht, warum Gläubige ihre Kirche verlassen. Kaum jemand, so ihr Ergebnis, trete aus der Kirche aus, weil sie ihm egal geworden sei. Vielmehr seien die Austritte oftmals der Schlusspunkt eines jahrelangen Prozesses. Dabei spiele etwa, anders als weithin behauptet, die Kirchensteuer eine lediglich nachrangige Rolle.

Nur die Tat macht der Kirche Beine

In einem der Abendgebete aus Maria Laach, die bei katholisch.de gehört und gesehen werden können, erinnert Pater Philipp Meyer an eine Bibelstelle bei Matthäus: „Wenn Ihr begriffen hättet, was das heißt ‚Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer‘“, dann würde klarer: nicht um opulente Gottesdienste gehe es, sondern darum, jene Barmherzigkeit zu leben, „mit der Jesus uns beschenkt“. Selbst wer nicht ausgesprochen religiös ist, findet hier Inspiration für die eigene, christlich motivierte Tat.

Auch Papst Franziskus hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die zu starke Selbstbezogenheit der katholischen Kirche ein Fehler sei. Das Reden (oder das Beten) alleine reicht den meisten Gläubigen längst nicht mehr aus. Was Papst Franziskus fordert, ist das Evangelium der Tat. Das scheint inzwischen bei mehr Gläubigen angekommen zu sein. Immerhin der Rückgang der Kirchenaustritte könnte dafür ein Indiz sein.

Weltkirche, Entfremdungen, Glaubwürdigkeit

Welch große Missverständnisse zwischen dem aufgeklärten, europäischen Katholizismus auf der einen und einem weit verbreiteten afrikanischen immer noch herrschen, machte vor wenigen Tagen ein nigerianischer Kardinal deutlich. In einem Interview mit dem österreichischen Rundfunk äußerte John Onaiyekan, er könne etwas nicht verstehen: Die in westlichen Ländern geführte Debatte über den kirchlichen Umgang mit Homosexualität. Er zeigte sich „überrascht, dass das die Themen sind, über die man sich Sorgen macht“. Die europäische Bevölkerung würde stattdessen immer säkularer. Eher darum und um leere Kirchen und mangelnde Priesterberufungen müssen man sich Sorgen machen. Welch ein Missverständnis!

Es sind gerade diese Entfremdungen zwischen der Kirche und den Gläubigen in Europa oder Nordamerika, denen Papst Franziskus entgegentreten will. Dabei geht es ja keinesfalls darum, Homosexualität zu lobpreisen. Ebensowenig soll die Scheidung eines kirchlich verheirateten Paares mit Frohlocken gefeiert werden. Es geht allerdings immer darum, Barmherzigkeit walten zu lassen und jene, die – wie Franziskus gesagt hat – „Gott suchen“, auf ihrem Weg zu begleiten. Wer das ablehnt, nur weil er 2000 Jahre alte biblische Worte wörtlich auslegt, legt die Axt an jene Brücke, die Franziskus so mühevoll wieder stabilisieren will.

Heiner Geißler: Notwendiger Streit
Heiner Geißler: Notwendiger Streit

Jeder Schritt zurück hinter das, was der Papst begonnen hat, würde einen weiteren Bedeutungsverlust der Katholischen Kirche nach sich ziehen. Franziskus ist dabei, eine riesige Glaubwürdigkeitslücke des Christentums zu schließen. Weg von Prunk und Pomp, Abschied von intransparenten Finanzgebaren, die mafiöse Strukturen hatten. Hin zu einer glaubwürdigen Verkündung des christlichen Glaubens, zu einer Theologie der Tat und nicht einer des Selbstgerechten.

Papst Franziskus steht für die Zukunft der Kirche

Viele derer, die aus der Kirche ausgetreten sind, bleiben ja gläubige Christen. Ja, viele bleiben gar aktiv in der Seelsorge für die Schwachen in unserer Gesellschaft. Sie sind nicht zu verurteilen als „Säkulare“; sie sind zurückzugewinnen als Gläubige, die eine unglaubwürdige Kirche vom Hof gejagt hat. Nicht der, der die „Organisation“ Kirche verlässt, wird dadurch ein Ungläubiger. Der, der lediglich die Worte der Bibel mit nach oben geworfenem Blick rezitiert, ohne den Geboten der Nächstenliebe und Barmherzigkeit in seiner eigenen Tat zu entsprechen, hat seinen Platz in der Kirche verloren.

Die Kirche ist kein Haus für Pharisäer und falsche Gelehrte. Sie ist für die Armen und Benachteiligten da. Die erste Enzyklika des Papstes „Lumen fidei“ weist den einzig möglichen Weg in eine glaubwürdige Zukunft für die katholische Kirche. Der Christliche Glaube muss nach den Worten von Papst Franziskus Konsequenzen für das Handeln der Christen in der Gesellschaft haben.

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