Heimat ist ein Gefühl | Foto © Tom Rübenach

Heimat | Kampf um Gefühle

Ein Gespenst treibt sich herum in Deutschland: es ist die Heimat-Debatte. Der Begriff selbst ist Kampf geworden:  Findest Du ihn gut, bist Du ein Rechter. Bist Du dagegen, bist Du ein vaterlandsloser Geselle. Wahlweise Gesellin. Dabei ist Heimat vor allem anderen eins: ein schönes Gefühl.

TS|BN 17. April 2018 Für die grüne Jugend ist der Begriff Heimat „so ausgrenzend konnotiert und geschichtlich vorbelastet“.  So geschrieben in einem Tweet der Organisation. Abgesehen von der Tatsache, dass man als Jugendorganisation ungestraft Unsinn verbreiten darf (der einem im Laufe der Jahre auch schon mal peinlich wird), zeugt der Tweet von der reinsten Verklemmtheit. Heimat sei ein „ausgrenzender Begriff“, finden die Jugendlichen also, als ob man ihn nicht ebenso ent-grenzen könnte: Heimat sozusagen öffnen für alle, die sich dort leben und sich wohlfühlen.

Verkrampfte Heimat-Debatte

Das geht aber nicht. Als Begründung müssen rechte Dumpfbacken herhalten. Die AfD habe das Thema längst kassiert. Die CSU gebe ihren reaktionären Senf selbstverständlich auch dazu. Schließlich wird im Herbst in Bayern gewählt. Die Logik der sogenannten progressiven Kräfte unseres Landes schlussfolgern daraus, dass man sich ergo von diesem vergifteten Begriff fernhalten müsse.

Rechte Heimat | Quelle: CSU Bundestag
Rechte Heimat | Quelle: CSU Bundestag

Empfände man keine staatspolitische Verantwortung, man müsste der AfD im Freistaat 30% wünschen. Nur so würden Dobrindt und Konsorten begreifen, dass ihre unerträglich bräunlichen Klamotten ihnen einfach nicht stehen. Wer als Minister ein Totalausfall war und Leuten wie Orbán als „unserem Freund“ zum Wahlsieg gratuliert, kann nicht mehr ganz bei demokratischem Troste sein. Der scheint die Glocken nicht gehört zu haben, die der illiberale Orbán seit Jahren läutet. Der nur für Heimat hält, was weiß ist und ungarisch spricht.  „Heimat“ hält Dobrindt womöglich für politisch unkorrekt; deshalb mag er es so. Dabei haben zwei Grüne längst vorgemacht, wie man die Heimat richtig feiern kann, ohne der Volkstümelei zu verfallen. Der österreichische Bundespräsident sowie Ministerpräsident von Baden-Württemberg haben sich heimatnah gezeigt, ihrem genius loci verbunden. In keiner Sekunde aber haben sie sich je rechtsradikaler Rhetorik bedient. Die TAZ hat das in einem Artikel sehr gut beschrieben.

Heimatzerstörung als Agitation

Die Debatte um den Begriff ist keineswegs neu. Sie poppt nur gerade wieder heftig auf. Die AfD tut natürlich so, als habe sie es auf die Tagesordnung gesetzt. Sie betrachtet sich ja fürchterlicherweise als Retterin des Abendlandes. Gott möge uns beistehen! Sie lügt allerdings auch hier. Das Thema ist so alt wie die Bundesrepublik, und erst vor ein paar Jahren gab es sie wieder einmal. Die ARD hatte dem Thema Heimat 2015 sogar eine ganze Woche gewidmet. Von der verlorenen Heimat oder der digitalen war dort die Rede; sogar von der Heimat „in der Hosentasche“.

Heimat | Kampf um Gefühle © Tom Rübenach
Heimat | Kampf um Gefühle © Tom Rübenach

Das Kontrastprogramm zu einem friedlichen Lächeln beim Thema liefern die Extremisten. Das hat der Höcke aus Thüringen (aka „Bernd“) gerade in einer Fernsehsendung des MDR eindrucksvoll demonstriert. Worum es den rechten Zersetzern in Wirklichkeit geht, hat nichts mit Heimat zu tun, sondern mit Zerstörung. Ein Rundumschlag ist bei denen ja immer gleich mit im Angebot: die „Politikansätze der anderen Parteien“, so agitierte er, seien „auf Heimatzerstörung angelegt“. Die CSU benutzt andere Sätze, haut aber ähnlich drauf. Also richtig dumm. Der Bernd ist durchaus als Agitator bekannt. Er soll dennoch erwähnt sein, damit man sich niemand daran gewöhnt, wer die Feinde der Demokratie sind – auch in diesem Kontext.

Et jit kein Wood

Dabei gibt es so wunderbare Ansätze, wie eine friedliche Heimat zu beschreiben ist. In Gedichten, Artikeln, in Fotos oder Liedern. Der Autor dieser Zeilen, geboren in Bonn, empfindet seine alte Chur-Kölsche Heimat einfach als sein Zuhause. Mit einem Lied haben junge Musiker dieses Gefühl so ausgedrückt, dass niemand sich ausgegrenzt fühlen muss, im Gegenteil. „Et jit kei Wood“ (Es gibt kein Wort) ist eine Liebeserklärung an den Dom, bunte Häuser, die Musik und die Sprache. Der Kölsche Dialekt mag für Nicht-Rheinländer nur schwer genießbar sein. Gleichwohl drückt er ein starkes Heimatgefühl aus. In anderen Dialekten wird das ebenso sein.

Dom, Synagoge, Moschee: alles ist Heimat © tuDom
Dom, Synagoge, Moschee: alles ist Heimat

Das trifft ebenso für unterschiedliche Sprachen zu, für Kulturen oder länderübergreifende Regionen. Mit Ausgrenzung hat das nichts zu tun. Mit Identität hingegen schon. Wer – von links oder von rechts – den Begriff Heimat politisch zu vergiften sucht, befindet sich in ein und demselben Topf. Wer Heimat in einer offenen Gesellschaft mitgestalten will, ist herzlich eingeladen. Wer sich in unserem multikulti-, multireligiösen- und multipolitischen Land nicht zuhause fühlen mag, den kann man an die Hand nehmen. Wer das nicht will, dessen Heimat kann hier schwerlich sein. Ausgrenzen ist das nicht. Wer, wie die AfD und andere Radikale, Heimat nur für sich selbst postuliert, gehört nicht hierher. Dem mag man jene Karte zeigen, wo die multiresistenten Antidemokratiekeime wuchern. Das gilt für Rechte ebenso wie für die grüne Jugend.

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