Selbstachtung | Die CDU muss nach Bayern
Die CDU muss nach Bayern, um die CSU zur Räson zu bringen. Zudem ist es längst eine Frage der Selbstachtung für die Partei Merkels geworden. Wie lange will die Partei sich noch von unberechenbaren CSU’lern auf der politischen Nase herumtanzen lassen? Von einem wild gewordenen Führer-Trio, das gerade einmal 6% der Zweitstimmen auf Bundesebene zusammenkriegt.
Die CDU ist nicht Merkel allein
TS|BN 25. Juni 2018 Der ehemalige bayerische Ministerpräsident Stoiber sagte dieser Tage im ZDF: „Wir haben eine inhaltliche Entfremdung zur CDU, wie ich sie in Jahrzehnten so noch nie festgestellt habe.“ Die Diagnose sitzt. Sie passt. Wir, damit meint Stoiber natürlich die CSU. Er beschreibt es nicht umgekehrt. Nicht für die CDU hat er diese „Entfremdung“ festgestellt, sondern umgekehrt. Für diese – für seine Verhältnisse selten einfach formulierte – Beschreibung muss man dem gestürzten Mann dankbar sein. In diesem Satz liegt die Ursache für die schier unberechenbare Hektik aus Bayern.
Ein wild gewordenes Führer-Trio aus Seehofer (gestürzt), Dobrindt (gescheitert) und Söder (überschätzt) tanzt nicht nur der Kanzlerin auf der Nase herum. Es tanzt auf ganz Deutschland herum. Kein Thema beherrscht die Nachrichten so sehr wie die Ultimaten der CSU gegen die CDU. Alle drei schießen immer heftiger gegen die Kanzlerin, die von der „Schwesterpartei“ gestellt wird. Dabei geht es nicht nur gegen Merkel. Die Schärfe der Angriffe trifft die ganze Partei jenseits des Landes, das von den „Wilden Drei“ bislang regiert wird.
AfD jagt CSU – CSU lässt sich jagen
In der rechtsextremen, sogenannten „AfD“ dürften tagtäglich Sektkorken knallen. „Wir werden sie jagen!“ hatte der alte Mann der Extremisten am Wahlabend 2017 geschrien. Redundant wie er ist, hat er es wiederholt. Die CSU hat seit Wochen nichts Besseres zu tun als der AfD in die Hände zu spielen. Gauland, den nicht wenige längst „Gauleiter“ nennen, freut das. In einem Interview feixt er gegen CSU-Leute (siehe Zitat links). Und nennt die Zeit der nationalsozialistischen Terrorregimes einen „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte. Das gesagte Unsägliche ist unterhalb dieses Absatzes nachzuhören. Der Einfachheit halber haben wir sein sogenanntes Dementi gleich hineingemischt in den O-Ton.
Von diesen Extremisten lassen sich als die CSU-Typen also jagen. Anstatt konstruktiv und liberal-demokratisch zu antworten, (g)eifern sie den Rechtsradikalen nach. Das ist allerdings keineswegs neu. Zitate von ihnen gab es auch in den vergangenen Wochen wieder mehr als genug. Das muss der CDU unerträglich erscheinen. Obschon kleinere CDU-Menschen sich auf die Seite der CSU schlagen – und dabei irgendeine undefinierbare Morgenluft wittern -, geht es den meisten zu weit. Langsam, aber sicher dämmert es nicht wenigen in der CDU: irgendwann reicht’s. Die Geduld einer deutlichen CDU-Mehrheit scheint sich dem Ende zuzuneigen.
Stoiber sieht „keinen Ansatz bei der CDU“
Die Rückwärtsgewandten in der CDU, die sich selbst allzu gern als „Konservative“ bezeichnen: ihnen ist die Merkel-CDU zu weit abgedriftet. Und zwar nach „links“, was immer das bedeutet. Sie nennen dann die Abschaffung der Wehrpflicht, die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien. Dabei ist letzteres doch nichts weniger als „die Bewahrung der Schöpfung“, ein höchst christlicher Ansatz. Dieser Anspruch müsste sie eigentlich Merkel auf Händen tragen lassen. Oder spielen da womöglich Verflechtungen mit der nicht-nachhaltigen Energie-Industrie eine Rolle?
„Lieb (christlich’) Vaterland, magst ruhig sein!“
Gar nicht zu reden von der „Ehe für alle“, die für stockkonservative Vertreter der Union ein Gottesverrat darzustellen scheint. Bei manchen in der rechten CDU und CSU mag man sich ohne viel Fantasie vorstellen, dass sie lieber „Behandlungszentren für Schwule“ einrichteten als die Unterstützung für Flüchtlinge auszubauen.
Stoiber sieht „keinen Ansatz“ bei der CDU, die zur AfD abgewanderten „Protestwähler“ wieder „zu uns“ zurückzuholen. Das scheint nicht nur so, das ist gottlob so. Die Aufgabe, die sich für echte christliche Demokraten aufdrängt, ist in Wahrheit eine andere. Es gibt in der CSU und rechten Teilen der CDU keinerlei Bemühen, die modernen und global denkenden Wähler für sich zu gewinnen. Beim Hass gegen Merkel gilt selbst CDU-Mittelständlern wie dem Vorsitzenden der entsprechenden Vereinigung in der Partei nur noch „Attacke“. Zwar ist auch der Mittelstand auf den Handel mit der Außenwelt angewiesen. Söders Satz aber vom „Ende des Multilateralismus“ wird nicht widersprochen. Er bleibt einfach stehen. Der Hass gegen Merkel ist einfach zu groß.
CDU: eine Frage der Selbstachtung
Für eine Partei, deren Kanzlerin und Vorsitzende Angela Merkel heißt, muss jetzt Schluss mit lustig sein. Die Frau hat immerhin seit knapp anderthalb Jahrzehnten der Union die Macht garantiert. An allen ihren Regierungen war die CSU beteiligt, mit der CDU. Es geht heute nicht mehr um irgendeinen Punkt in irgendeinem „Masterplan“; der könnte sich später ohnehin als Scheidungspapier entpuppen wie weiland das Lambsdorff-Papier. Immerhin handelte es sich bei SPD und FDP um zwei eigenständige, nicht in einer Gemeinschaft verschmolzene Parteien.
Für die CDU ist es hohe Zeit, Fakten zu schaffen und sich aus der rechten Umklammerung der CSU zu lösen. Es ist längst eine Frage der Selbstachtung geworden.
Keine Sozis, nicht Liberale oder Grüne: niemand ist je mit einer Kanzlerpartei so umgesprungen wie es die CSU derzeit tut. Vor lauter Panik riskiert das Panik-Trio die Regierung. Vor lauter Hochmut tun es so, als ob es „das Volk“ repräsentierte; genau so, wie es ja auch die Rechtsradikalen von sich behaupten. Die CDU sollte nicht warten, bis es zum Schwur kommt und Seehofer sich über die Verfassung stellt, indem er die Richtlinienkompetenz einfach ignoriert. Es ist hohe Zeit zum Handeln – für die CDU.
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