Pogrom | Die AfD und der Zivilisationsbruch
Pogrom, Kristallnacht, erster Höhepunkt des Nazihorrors: Vor achtzig Jahren brannten Synagogen Deutschland. Bürger jüdischen Glaubens wurden von den Nazis verhaftet und interniert. Was dann folgte, war der Zivilisationsbruch. Die AfD weist in der Konsequenz den Weg dorthin.
TS|BN 9. November 2018 Immer noch und immer wieder werden Juden in Deutschland angegriffen. Sie werden geschlagen und auf offener Straße bespuckt. Auf jüdischen Friedhöfen werden Grabsteine umgeworfen. Hauswände werden beschmiert. So beschreibt es Gunda Trepp, die über ihren Mann Leo gerade eine Biographie geschrieben hat. Er war Rabbiner und Theologieprofessor. Derzeit ist Gunda Trepp mit ihrem Buch auf Lesereise durch Deutschland.
Pogrom-Erinnerung in der Provinz
Was Leo Trepp erlebt hat, davon können nur noch sehr wenige Augenzeugen berichten. Das müssen jetzt die noch wenigen Überlebenden des Holocaust und der Nazidiktatur tun. Und Zeitzeugen. So wie es ein 90jähriger beschreibt, der von den Pogromen in seinem kleinen Dorf am Rhein erzählt. „Wir gingen immer singend zum Sport an den Rhein. Am Morgen des 9. November 1938 war alles anders.“ Der Lehrer, der sie begleitete, hatte ihnen gesagt: „Heute wird nicht gesungen.“ Schüler und Lehrer gingen schweigend an jenem Haus vorbei, in dem Juden gelebt hatten. Aus einem der oberen Fenster wehten die weißen Gardinen hinaus, durch die zerbrochenen Fensterscheiben.
Dort, wo einst die jüdische Familie lebte, sind heute drei Stolpersteine. Sie werden von der Schützenbruderschaft „St. Sebastianus“ des Dorfes gepflegt. So wie in Leubsdorf am Rhein geschah das in den vergangenen Wochen überall in Deutschland. Freiwillige putzten und polierten die dunkel und schmutzig gewordenen Erinnerungssteine. Sie sollten besonders am 9. November klar und deutlich zu erkennen sein. Das ist nötig. Denn die Erinnerung verblasst. Sie scheint inzwischen allzu sehr hinter dem Nebel der Vergangenheit zu verschwinden. Es gibt nur eine Partei in den deutschen Parlamenten, der das nutzt. Und die das ausnutzt.
Die AfD und der (Juden)Hass
Die rechtsextreme AfD sitzt inzwischen im Bundestag und in den Landtagen. Von dort aus propagiert sie nach wie vor ein deutschrassiges Staatsverständnis. Wenn dies auch nicht arisch genannt wird, so erinnert es doch fatal an den Nationalsozialismus. Nur einen Tag vor dem 80. Jahrestag der „Reichskristallnacht“ polterte AfD-Führer Gauland im Bundestag gegen den UNO-Migrationspakt. Linke Träumer planten klammheimlich, „aus dem Nationalstaat Deutschland ein Siedlungsgebiet“ für Millionen Migranten aus Krisengebieten zu verwandeln. Dabei sind solche konkreten Vorhaben für die sog. AfD gar nicht das Entscheidende.
„Die Pogrome vom November 1938 waren der Beginn einer offenen Vernichtungspolitik.“
Aus einem Interview mit Dr. Sebastian Bischoff, Universität Paderborn, das Sie hier nachlesen können.
Für die Rechtsradikalen sind sie lediglich Folien, auf die sie ihre Agitation projizieren können. So können sie Hass schüren und ihn am Leben halten. Ohne ihn könnten sie gar nicht überleben. Gestern im Parlament war es der Migrationspakt. Vorgestern waren es die Medien. Davor die Muslime. Dann wollten sie Schwule zählen lassen, in Thüringen. Das Ziel der sog. AfD ist die totale Verunsicherung. Sonst nichts. Daraus lässt sich dann leicht Hass schöpfen. Es ist jener Hass, der vor achtzig Jahren in die Pogrome gegen die Juden mündete. Die sog. AfD nimmt das nicht nur in Kauf. Sie steuert bewusst und gezielt darauf zu.
Die AfD und der Zivilisationsbruch
Man muss nur die AfD zuende denken, wie wir das in diesem Blog wieder und wieder versucht haben. Dabei muss man nicht einmal weit ausholen. Die Belege für die rechtsextremistische Gangart dieser Partei sind evident. Allzu zögerlich geht es um Parteiausschlüsse von Nazis. In Baden-Württemberg beispielsweise sagt ein AfD-Mann zur Gründung der Gruppe „Juden in der AfD“: „Im ungünstigsten Fall handelt es sich um eine zionistische Lobbyorganisation, die den Interessen Deutschlands zuwiderläuft.“ Der Zivilisationsbruch, das Unaussprechliche: das hat nicht am 9. November 1938 begonnen.
Gauland, Höcke und all die anderen wollen den Weg für ein anderes Deutschland ebnen. Möglich, dass nicht jede/r genau weiß, wohin das führen soll innerhalb der Partei. Sicher ist, dass die Führerinnen und Führer eine genaue Vorstellung haben. Sie wollen die Macht. Und Kompromisse sind ihnen zuwider. Insofern würde ihre Politik, die von der sog. AfD und anderen Nazis, erneut in einen Bruch der Zivilität und Zivilisation führen, böte man ihr nicht Einhalt.
Die Gedenktage unseres Landes sind gut und wichtig. Sie erinnern uns an unsere Verpflichtung als Demokraten, nie wieder Unfreiheit zu dulden. Was häufiger vonnöten wäre: Aktionstage der Demokratie. Bürgerinnen und Bürger zusammenzurufen, um diese liberale Demokratie gegen ihre Feinde zu positionieren. In der kommenden Woche geschieht das wieder in meiner Heimat. Am 17. November geht die Stadt Remagen am „Tag der Demokratie“ quer durch alle politischen Gruppen gegen Nazis auf die Straße.
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