Menschenrechte - siebzig Jahre Kampf auch in Afrika © Tom Rübenach

Menschenrechte | Mehr als siebzig Jahre Kampf

Menschenrechte sind unteilbar. Der Satz klingt banal, ausgefranst fast. Wie eine Phrase. Die Wirklichkeit der Menschenrechte schreit nach Veränderung. Beispiele aus der Menschenrechts-Charta der Vereinten Nationen in der Realität – am Beispiel eines Slums in Nairobi. (Find an English version of this article below as PDF to download.)

TS|BN 10. Dezember 2018 Die „Ayiera-Initiative“ im Slum Korogocho in Nairobi nimmt die Menschenrechte sehr ernst. Ihr Gründer Hamilton Ayiera gründete sie vor über zehn Jahren. Als junger Mann war der heute 34jährige ein talentierter Fußballer. Nach einem Turnier in Ägypten kam er in seinen Slum zurück und beschloss: ab heute werde ich nicht nur etwas ändern, sondern viel verbessern. Gesagt, getan: die „Ayiera-Initiative“ war gegründet.

Menschenrechte | Nahrung

Es war ein Straßenfußballer-Turnier. Hamilton Ayiera Nyanga hatte bei dem Wettbewerb ein paar hundert Euro bekommen. Das war für ihn so viel Geld, dass er dafür hätte Jahre arbeiten gehen müssen – wäre er immer nur im Slum geblieben. Denn viele der Dorfbewohner in Korogocho verdienen meist nur das, was sie zum nackten Überleben benötigen. Viele von ihnen sind gezwungen, tagtäglich auf die offene Müllkippe „Dandora“ zu gehen. Die schlängelt sich parallel zum Nairobi-River am Dorf Korogocho entlang. Dort suchen die Slum-Bewohner für sich und ihre Familien etwas zu essen. Sie puhlen Essensreste aus dem stinkenden Dreck, um überhaupt überleben zu können. Oder sie finden Eisen, Metall oder Plastik, das noch verwendbar ist. Sie verkaufen es an einen Händler und bekommen dafür einen Euro. Pro Kilo. Pro Tag.

So erwühlen sie sich das „Menschenrecht auf Nahrung“, das ihnen die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ garantiert. Diese wurde am 10. Dezember 1948 von den Vereinten Nationen verabschiedet, also vor genau siebzig Jahren. Dass sie immer noch nicht überall gelten ist die große Lüge dieses Papiers. Mehr als 200 Slums, das der deutsche Begriff „Elendsviertel“ zutreffender beschreibt, gibt es in der kenianischen Hauptstadt. Korogocho ist nicht nur der zweitgrößte; auch sind die Lebensumstände dort weit prekärer als in anderen Slums.

Menschenrechte | Gesundheit

Eine offene Müllhalde, auf der die Slumbewohner herumgehen, um Lebensmittel für sich zu finden oder reste, die sie an Händler verkaufen können. @ Tom Rübenach
Die Müllhalde im Slum – unmittelbar neben dem Dorf. © Tom Rübenach

Denn durch die nahegelegene Mülldeponie (siehe Foto) leiden viele der Slumbewohner an Atemwegserkrankungen. Von Kindesbeinen an atmen sie unentwegt die Dämpfe und den beißenden Gestank des Mülls ein. Zu den Menschenrechten indes gehört auch das auf Gesundheit. In Slums wie dem von Korogocho wirkt es wie Zynismus.

Gäbe es nicht die „German Doctors„. Denn diese deutsche Hilfsorganisation besucht regelmäßig die Ayiera-Initiative. Reihenuntersuchungen helfen, die Gesundheit zu „vermessen“ und notwendige Schritte einzuleiten. Die freiwilligen Ärzte aus Deutschland haben eine Klinik im Slum Mathare. Das ist der größte in Nairobi. Bereits seit 1979 arbeiten sie dort und versuchen ihr Bestes, Menschen in bitterster Armut zu helfen. Und ihnen das Menschenrecht auf Gesundheit zu gewährleisten. Malaria, HIV, Tuberkulose: nur einige von vielen Krankheiten, um die sich die Doctors kümmern. Um die 300 Patienten werden dort jeden Tag versorgt. Umso beeindruckender, dass die Ärzte und das Team der „German Doctors“ noch die Zeit finden, wenigstens in Abständen nach Korogocho zu fahren.

Menschenrechte | Bildung

Morgan, ein Junge aus dem Slum Korogocho, will auch in die Schule gehen. © Tom Rübenach
Auch Morgan will ganz einfach in die Schule gehen können. © Tom Rübenach

Die Ayiera-Initiative im Slum von Korogocho arbeitet gemeinsam mit Care, dem Entwicklungsministerium und der Stiftung „Zukunft für Kinder in Slums“ (vormals „Stiftung Hoffnung 1-plus„). Eines der Ziele ist Verbesserung der Bildung für Kinder und junge Erwachsene. Denn die wenigstens können sich eine weiterführende Bildung für ihre Kinder leisten. Wären da nicht Stiftungen und andere: viele Kinder hätten nie die Chance auf ein Bildungs-Stipendium fürs College, die Universität oder einen Beruf erlangt.

Wenn hierzulande über die Bekämpfung der Fluchtursachen gesprochen wird, ist meist nur gemeint: der Kampf gegen die Fluchtgründe. Gleichzeitig ist es immer auch der Versuch, die Einwanderung oder die Flucht nach Europa zu begrenzen. Sua sponte Menschenrechten zu ihrer Geltung zu verhelfen spielt selten eine Rolle, im Grunde fast nie. Aber darum geht es eigentlich. Nicht nur am 70. Geburtstag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Das Menschenrecht auf Bildung beispielsweise ist eines der entscheidenden. Denn aus dessen Realisierung kann tatsächliche Entwicklung erwachsen, siehe Europa. Fokussierung auf Abschottung hat mit der Bekämpfung von Fluchtursachen nichts zu tun. Letztere sind nicht ehrlich, wenn es nicht auch um das Durchsetzen von Menschenrechten geht.

Kinder auf einem Schulhof im Slum Korogocho in Nairobi. © Tom Rübenach
Kinder auf einem Schulhof im Slum Korogocho in Nairobi. © Tom Rübenach

Menschenrechte | Der Kampf muss weitergehen

Die Deutschen tun sich mit Begriffen wie „Kampf“ schwer. Dabei ist er oftmals mehr als nötig. Vor allem dann, wenn es um Menschenrechte geht und deren Durchsetzung. Kampf, das bedeutet in diesem Kontext vor allem Konsequenz. Das nicht-locker-Lassen. Ein ständig allen auf die Nerven gehen, die glauben: wenn es uns gut geht sei der Fisch gegessen. Diejenigen zu provozieren, die unter der „Bekämpfung der Fluchtursachen“ in Wirklichkeit Abschottung verstehen.

Die Welt befindet sich in einer schwierigen Phase. Trump, Putin, die chinesischen Unterdrücker, sogenannte Demokratien (die längst nicht oder nicht mehr liberal sind): all diese Namen und Politiken gehorchen nur einem Imperativ. Und das ist vor allem der, das eigene kleine Gärtchen „in Ordnung“ zu halten – was immer das auch bedeutet. Der Gartenzaun ist für viele keine Zierde mehr, sondern längst eine unüberwindbare Grenze geworden. Es ist hohe Zeit, unsere vermeintliche Idylle zu entlarven als das, was sie ist: der blanke Egoismus.


Here you find the English version of this article, translated by deepL: „Human rights: Seventy years of fight“


Der Müll und der Slum. © zwozwo8
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