Klimawandel | Hitze hier – Armut dort
À propos Klimawandel: Selbst wenn wir morgen kein einziges Treibhausgas mehr in die Atmosphäre entließen: es würde fünfzig oder sechszig Jahre dauern, bis das Klima sich „wieder einpendelt“. So die Einschätzung von Volker Angres, dem Leiter der ZDF-Umweltredaktion. Aber wie wirkt sich unser Nichtstun eigentlich auf Entwicklungsländer aus?
An einem heißen Julitag des Jahres 1988 erklärte ein Mann der Welt den Klimawandel. Damals sprach man noch nicht von den Fluchtursachen, von der eine der Klimawandel geworden ist. Er sprach über dessen Konsequenzen und die Notwenigkeit, dagegen etwas zu unternehmen. James E. Hansen heißt er und war damals Direktor des Goddard Institute for Space Studies (GISS) der NASA und Professor für Erd- und Umweltwissenschaften an der Columbia University. Er war zum US-Kongress eingeladen worden und nutzte seine Chance. Mit einem Schlag wurde er weltweit bekannt und ist bis heute ein einflussreicher Klima-Aktivist. Einen Ausschnitt dessen, was er damals vor dem Kongress sagte, kann man hier sehen.
Klimawandel hier, Brutalität dort
Wie schon im vergangenen Jahr sind die Lobbyisten der Landwirte auch jetzt wieder laut und stark unterwegs. Verständlich aus ihrer Sicht. Schließlich geht es bei Bauern um die Existenz, wenn es kaum regnet und dazu eine Bullenhitze herrscht. Ein Begriff des letzten Jahres taucht wieder und wieder auf: Dürre. Was aber bedeutet das, hier und andernorts? Da gibt es große Unterschiede.
Der deutsche Wald ist Mythos, Einkommensquelle und Erholungsgebiet zugleich – je nach dem, wie man ihn nutzt. Er ist auch Teil der Lunge, die wir zum Überleben dringen brauchen. Nach dem letzten Trockensommer ist der Wald schon wieder im Gesundheitsstress. Unsere typischen Bäume wie Fichten oder Kiefern werden von Pilzen befallen. Viren breiten sich aus, die nicht nur für die Wälder gefährlich werden können, sondern auch für Menschen. Also versuchen gerade Forscher herauszufinden, ob neue und andere Baumsorten besser gegen Hitze geschützt sein können. Solche, die es länger ohne Wasser aushalten.
Lebensmittel zu Geizpreisen
Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte unlängst dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass es angesichts der Dürre einen „Wandel hin zu einer naturschonenderen Bewirtschaftung“ geben müsse. Zwar konzedierte sie, dass Landwirte in weiten Teilen des Landes hart betroffen seien. Sie fügte richtigerweise hinzu: Gleichzeitig seien sie auch „Teil des Problems“. Und brachte es in einem Satz auf den Punkt: “Das Prinzip, Lebensmittel zu Dumpingpreisen in Massen zu produzieren, hat ausgedient.“ Ebenso ein gesundes Klima: auch das gibt es längst nicht mehr zu Geizpreisen.
Erst vor wenigen Tagen ist eine Studie der Universität Bern veröffentlicht worden. Sie besagt, dass wir es erstmals mit einer weltweiten Klimaveränderung zu tun haben. Im Gegensatz zu früheren Phasen, in denen sich Veränderungen des Klimas lediglich regional zeigten. Das ist ein neuer Beleg nicht nur für die schnelle Erderwärmung; sie bezeugt auch das Globale dieses Trends. Diese neuen Fakten schreien geradezu nach schnellerem Handeln. Auch hier gilt: billig wird das nicht.
Klimawandel, Gentechnik und Windräder
Der Landwirtschaft stellen sich wichtige, ja dringende Fragen. Beispielsweise die, ob (noch) das richtige Gemüse angebaut wird oder der richtige Salat. Dies ist ebenfalls längst Gegenstand von Forschungen. Bringt jemand in diesem Kontext die Gentechnik ins Spiel, ist der Aufschrei indes gleich recht groß. Ähnliches lässt sich auch bei der Frage der Windräder beobachten. Sobald sie in der Nähe der Wohnung aufgestellt werden sollen – oder müssen – ist es schnell vorbei mit dem Postulat des Klimaschutzes.
Das Prinzip ist oft das gleiche, und ebenso verlogen: Es muss sich etwas ändern, bitte schön und am besten sofort. Aber bitte nicht bei mir. Gentechnik überhaupt nicht. Windräder schon, aber nicht vor der Haustür. Und schon gar nicht beides auf einmal, bitte sehr. Diesem egoistischen Denken folgt auch das scheinbar absolute Desinteresse an der Wirklichkeit von Millionen Menschen – andernorts.
Klimawandel in Entwicklungsländern
Wer in diesen heißen europäischen Wochen mit Freunden in Afrika spricht, erntet ein Lächeln. Kein überhebliches, wie das eines Freundes aus Nairobi, dem gegenüber ich vor ein paar Tagen über die knapp vierzig Grad stöhnte. Dort herrschen angenehme 25 Grad tagsüber und nachts um die 15 Grad. Was für uns angenehm klingen mag, sieht für Menschen, die im Slum leben, anders aus. Wenn die Temperatur in den frühen Morgenstunden auf bis zu elf Grad sinkt, ist es sehr kalt. Zumal dann, wenn Hütten nicht richtig geschlossen werden können.
Das, sagte mir mein Freund allerdings, sei zu verkraften. Manchmal würde er halt nachts aufstehen und sich gegen die Kälte des Morgens einen Pullover überstreifen – und dann weiterschlafen. Solche „Anpassungen“ an das Wetter sind nicht das größte Problem. Weder für meinen Freund noch für ganze Länder.
Zwar sind die Industriestaaten primär für den Klimawandel verantwortlich. Die Entwicklungsländer hingegen leiden am stärksten unter ihm. Lediglich zwei Prozent Temperaturanstiegs würden bereits bedeuten, dass die Lebensmittelproduktion erheblich litte. In Ländern wie Kenia, dem Niger oder im Sudan lebt besonders die Bevölkerung in ländlichen Gebieten von der Landwirtschaft. Sie ist sogar für die eigene Versorgung mit Essen von unersetzlichem Wert. Blieben die Böden trocken, gäbe es zu wenige Brunnen mit Wasservorräten: es ist nicht schwer, sich die Konsequenzen vorzustellen. Zu ihnen gehören auch weitere Flüchtlinge, die wir durch unser Nicht-Handeln hierzulande geradezu einlüden, nach Europa zu kommen. Stattdessen sollten wir ihnen in ihrer Heimat das Leben ermöglichen, das wir hier auch so gern führen. Dafür gibt es einen richtigen Begriff: Fluchtursachen bekämpfen.
Klimawandel, Wassermangel, Kriege
Schon in den kommenden Jahren müssen allein in Afrika bis zu 250 Millionen Menschen mit weniger Wasser als bisher auskommen. Alleine in Ostafrika wären 86 Millionen betroffen. Ohne Wasser kein Leben: das ist eine todernste Binsenweisheit. Was drohte, wären Konflikte um Wasser. So wie der Konflikt in Darfur (Sudan) ja weniger eine ethnische Auseinandersetzung verschiedener Gruppen war. Vielmehr gibt es letztlich darum, sich Wasser zu sichern – zum nackten Überleben. In vielen Ländern müssen die Leute dutzende Kilometer zurücklegen, nur um an Wasserstellen zu gelangen. Zu Fuß, mit Kamelen oder Eseln. Eine Garantie, genügend Wasser zurück nach Hause bringen zu können, haben sie damit allerdings noch nicht. Ein Kampf um Wasser, wie er in Darfur geführt wurde, würde mit Gewissheit zu neuen, schweren Konflikten führen.
Abgesehen von einer Bedrohung durch echte Dürren und mangelndes Wasser hätten solche Entwicklungen auch politische Folgen. Allein in Subsahara-Afrika leben mehr als 60% der Bevölkerung auf dem Land. Das sind mehr als 300 Millionen Menschen, denen wiederum weniger als 1000 m3 Wasser pro Jahr und Person zur Verfügung steht. Das bedeutet nicht anderes als ein Leben unter starker Wasserknappheit. In Deutschland verbraucht jede/r pro Tag 123 Liter. Das entspricht fast 45.000 Liter, pro Kopf, pro Jahr. Trinkwasser, kontrolliert, sauber und nicht aus irgend einem Brunnen.
Weltweit hat sich der Wasserverbrauch zwischen 1930 und 2000 fast versechsfacht. In meinen Ohren klingt es gleichzeitig zynisch und lächerlich, wie das Umweltbundesamt Anfang Juli über Wasser in Deutschland sprach. Die gewählten Worte sind im Vergleich mit Afrika und Asien grotesk. „Häufigere trockene Sommer bedeuten auch, dass sich voraussichtlich mehr Nutzer um die Ressource Wasser streiten werden.“ So äußerte sich Jörg Rechenberg, Wasserexperte beim Umweltbundesamt (UBA), gegenüber dpa.
Asien, Afrika, Armut
In Indien herrscht in diesen Wochen ebenfalls brutale Hitze. Nicht selten steigt das Thermometer auf bis zu 45 Grad. Allerdings haben dort etwa 600 Millionen Menschen keinen regulären Zugang zu Wasser. Das entspricht etwa der Hälfte der Bevölkerung. Ein in der Diskussion häufig vernachlässigter Aspekt von Wasserknappheit ist die Hygiene. Denn meist wird das zur Verfügung stehende Wasser dann zur Ernährung und weniger zur Hygiene genutzt. Ebenso bedeutet weniger Wasser durchaus auch Mangelernährung – mit einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionskrankheiten. Neu ist diese Erkenntnis nicht. Das wurde bereits 2001 so im Deutschen Ärzteblatt beschrieben.
Was wir – hierzulande – erleben, ist unangenehm. Vor allem dann, wenn man keinen Urlaub hat und arbeiten gehen muss bei solchen Temperaturen. Aber wir duschen mitunter zwei Mal am Tag, manche gar drei Mal. Die Hitze ist nicht unser Problem. Vielmehr ist es die Ignoranz handelnder Politiker, Konzerne und Interessenvertreter gegenüber der Verantwortung, die wir den Menschen und er sog. Dritten Welt haben. Natürlich trägt auch jede/r Verbraucher/in Verantwortung. Allzu viele Parteien und ein gut organisiertes Lobbysystem verzögern kalkuliert und rücksichtslos den Frontalangriff gegen die Klimaveränderung. Das ist unverantwortlich. Nicht nur gegenüber der hiesigen Bevölkerung, sondern vor allem gegenüber denen, die in Asien oder Afrika leben. Mit „christlichem Abendland“ hat das wenig zu tun.
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