Zwei Bänke in einer U-Bahn, beide sind seitlich nur "angeschnitten" auf dem schwarzweißen Bild. © Tom Rübenach

CDU | Merz und seine Linnemänner

Merz tanzt außerhalb der CDU. Begleitet wird er von Linnemännern und sogenannten „Werten“ in der Union. Das wird nix, auch wenn seine Fans das nicht mitbekommen. Den Grünen dagegen dürfte Merz wie wie der kommende Frühling vorkommen.

CDU in „schwerer Krise“?

Sogenannte „Hauptstadt“-Medien mögen diese Spiele. Nicht zu tief in die Details zum Klimapaket reinarbeiten, noch Fragen der Netzabdeckung zu konkret beleuchten. Schön allgemein darf alles bleiben. Die Statements geben die Jungs und Mädels in der Politik schon selbst ab dazu. Je mehr O-Töne, desto weniger eigener Text. Umso weniger recherchierter Inhalt. Das macht Spaß.

Und wenn sich dann auch noch ein Blackrock-Manager zur Kanzlerin äußert: dann haben sie eine Story, die sie tage- wenn nicht wochenlang drehen und schrauben können. Bis es niemand mehr hören mag. Also (mindestens) bis zum CDU-Bundesparteitag in Leipzig. Und der findet erst am 22. und 23. November statt. Friedrich Merz, Lobbyist und Rechtsanwalt, hat seit Jahr und Tag kein politisches Mandat mehr. Auch kein Amt. Er ist Vertreter im Wirtschaftsrat der CDU. Er hat unglaublich viel Geld, wenn man den Berichten von Lobbycontrol und anderen Quellen trauen kann – was wir hier tun. Trotzdem hängen viele Journalisten an seinen Lippen, als warteten sie auf die Geschichte ihres Lebens.

Zitate von den CDU-Politikern Merz und Günther, die über den Zustand der Bundesregierung streiten: auf der Grafik.
Der alte Mann und die andere Zukunft.

Nein, Berichte aus dem ländlichen Raum, wo die Realitäten den Bürgern begegnen: das ist nix für echte Berlin-Profis. Dafür sind schließlich Lokaljournalisten da. Die Damen und Herren Korrespondenten schlendern lieber im „Café Einstein“ herum und bestätigen sich gegenseitig die Diagnose dieser Tage: die Volkspartei CDU steckt in einer schweren, tiefen Krise. Man sieht sie förmlich vor sich, wie sie nicken und sich gegenseitig bestätigen. Gewiss, es gibt sie. Aber der Ausnahmen von dieser Regel sind wenige.

CDU in der „Zerreißprobe“?

Die Überschriften sind schnell durchdekliniert: Zerreißprobe, Krise, schwere Krise, Machtkampf, AKK am Boden, Merkel bald weg. Und jetzt? Was soll das Publikum damit anfangen? Wie wäre es mit „CDU auf dem Weg zur 30%-Partei“. Das jedenfalls wird passieren, sollten Merz und seine Linnemänner diese konservativ-liberale Partei entern. Denn sie hat längst nichts mehr mit jener Partei zu tun, in der Merz einmal Fraktionsvorsitzender war. Der Zusatz „der ehemalige“ in allen Berichten, das stört ihn. Damals, im Bundestag, da war er Vorsitzender. Aber es waren nur zwei kurze Jahre. Angela Merkel hat ihn abgelöst. Demokratisch, nach allen Regeln der Demokratie. Und dennoch hat er es nie verkraftet.

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Merz warf Merkel später vor, sie habe sich nicht an Abmachungen gehalten. Belegen konnte er das nie. Merz vermisste damals, dass Merkel sich vor ihn stelle und ihn unterstütze. Merz überschätzte sich damals, und das tut er heute ebenso. In einem Bericht des Berliner „Tagesspiegel“ aus dem Jahr seiner Niederlage wird er mit den Worten zitiert: er habe auf eine offene Konfrontation verzichtet, obwohl er glaube, „dass ich eine Kampfabstimmung in der Fraktion gewonnen hätte.“ Welche Hybris!

Friedrich M. und die Linnemänner

Heute glaubt Merz vermutlich immer noch, dass er Merkel schlagen könne. Ein kurzer Blick auf die Beliebtheitsskala der deutschen Politiker zeigt das Gegenteil. Es ist nahezu unglaublich, dass eine Regierungschefin nach so vielen Jahren im Amt immer noch und immer wieder diese Skala anführt. Selbst wenn im direkten Vergleich mit der CDU-Vorsitzenden AKK Merz deutlich vorn liegt: hat es nicht im vergangenen Jahr eine Wahl gegeben bei der CDU?

Merz‘ im ZDF geäußerte „Kritik“ ging gewaltig nach hinten los. Abgesehen vom dauergrinsenden JU-Vorsitzenden und den Linnemännern der Partei gab es kaum Zuspruch. Prominenteste Schützenhilfe gab es vom Ex-Hessen Roland Koch, der auch gegen Merkel gescheitert war wie Merz. Seine Unterstützer sind meist die streng konservativen, unliberalen, diejenigen, die Soziale Marktwirtschaft sagen und Kapitalismus meinen. Carsten Linnemann von der Mittelstandsvereinigung der CDU: auch er hatte sich Merz‘ Kritik angeschlossen – anstatt sich mit den Demokratiezerstörern der sog. AfD zu befassen. Dieser Tage kündige er stattdessen an, er und andere würden auf dem Parteitag „Visionen für das Land entwerfen„. Darauf freuen sich sicher schon alle.

Merz nur „von der Seitenlinie“

Text zur liberalen Politik der Grünen in einem Zitat von deren Vorsitzendem Robert Habeck.
Merz wird den Grünen helfen.

Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, brachte die Kritik an Merz auf den Punkt. Er qualifizierte die Kritik als „ganz schlechten Stil“ und erinnerte daran, dass Merz lediglich „alte Rechnungen begleichen wolle“. Außenminister Scholz von der SPD nannte Merz‘ Kritik unangemessen. Schließlich ist er der Vizekanzler und sitzt mit in der Regierung. Einigermaßen unhanseatisch fügte er hinzu: „Es spricht nicht für jemanden, wenn einfach faktenfrei rumgepöbelt wird.“

Mitten aus dem Spielfeld heraus haben jetzt 15 CDU-Bundestagsabgeordnete auf Merz reagiert. Die Message ist klar: es habe, so schreiben sie, in den vergangenen Tagen „keinen einzigen substanziellen Beitrag zur Erneuerung der CDU gegeben„. Unter ihnen ist das NRW-Schwergewicht Norbert Röttgen. Auch er hat diesen Satz unterschrieben. Und auch diesen: „Wir fordern … alle in der Partei auf, dieses Verhalten sofort einzustellen.“ Die Nervosität ist begründet. Macht die CDU so weiter wie in den vergangenen Merz-Wochen, wird sie kaum wieder über 30% kommen. Dann werden die liberalen in der Union nicht zur FDP gehen, sondern zu den Grünen abwandern.

Hinweis auf: ThomasSchwarzBonn.de

Bei der Europawahl in diesem Jahr haben 33% der unter 30-jährigen die Grünen bereits gewählt. Die Zahl von Älteren, die sich immer stärker von liberalen und sozial-ökologischen Argumenten überzeugen lassen, wächst ebenso. Den hohen Anteil junger Wähler bei der AfD in Thüringen als Gegenargument einzubringen ist nahezu lachhaft. Ein so kleines Land kann nicht als repräsentativ gelten. Zumal die Friedrich Ebert Stiftung zum Wahlverhalten Jugendlicher eine hochinteressante Studie herausgebracht hat.

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