DDR | Unrechtsstaat und faschistisches Monster
Was immer über die DDR zu sagen ist: sie war ein Unrechtsstaat. Nein, es war „nicht alles schlecht“. Aber das war und ist es in anderen Diktaturen auch nicht. Wir Deutschen sollten gleichwohl beim Begriff der Liberalen Demokratie einfach keine Kompromisse mehr machen. Nicht einmal sprachlich.
Mein 9. November in der DDR
Die DDR war ein Unrechtsstaat, und sie ist es historisch unbestritten bis heute. Das Recht war der Willkür ausgesetzt. Persönliche Freiheit stand in der Verfassung des Arbeiter- und Bauernstaates nur auf dem Papier. In Wirklichkeit herrschten Unterdrückung, Einschüchterung und Rechtlosigkeit. Es war der blanke Faschismus, also die Pervertierung dessen, was Romantiker noch immer als „Sozialismus“ begreifen.
„Wo Recht zu Unrecht wird | Begegnungen mit der Stasi“
Einen Auszug kann man hier lesen.
Von Thomas Schwarz. Das Buch erscheint 2020.
In der Nacht vom 8. auf den 9. November 1989 saß ich in einem D-Zug von Frankfurt am Main nach Leipzig. Ich war Journalist und arbeitete damals für das deutsche Radioprogramm von RTL, das „Radio Luxemburg“ hieß. In der Nacht zuvor, im gleichen Zug sitzend, war ich an der innerdeutschen Grenze noch zurückgewiesen worden, wie schon zwei Jahre lang seit 1987. Und wie bei den vielen vorherigen Einreiseversuchen in die sogenannte „Demokratische Republik“ gab man mir keine offizielle Begründung für die Einreiseverbote.
Zwei Jahre Einreiseverbot in die DDR
Inzwischen kenne ich die Umstände meiner ständigen Zurückweisungen. Was jahrelang Vermutungen waren, fand sich schwarz auf weiß in meiner Stasi-Akte. Sehr spät hatte ich sie beantragt, über 25 Jahre nach dem Ende der DDR-Diktatur. Ich kannte meine persönliche und berufliche Biographie selbst und wollte mich nicht unbedingt unschönen Überraschungen aussetzen. Es hätte nichts geändert an dem, was ich getan hatte und von dem ich überzeugt war. Schließlich überwältigte mich doch mein Interesse und ich beantragte die Akten zur Einsicht.
Nach der Antragstellung musste ich zwei Jahre warten, bis mir die Unterlagenbehörde mitteilte: „Ihre Stasiakte hat einen Umfang von 670 Seiten.“ Von dem, was mich mit der Stasi verbunden hat, handelt ein Buch, das im kommenden Jahr veröffentlich wird. Einen kurzen Auszug aus dem Manuskript kann man hier lesen.
Die Leute in der DDR
Helmut Kohl hat einmal gesagt: niemand in Westdeutschland solle sich über die Leute in der DDR erheben. Niemand hierzulande (er meinte den Westen) wisse, wie er/sie sich selbst in einer Diktatur verhalten hätte. Nein, wie soll das auch jemand wissen, der nie in einem Unterdrückungsstaat hat leben müssen? Wer das Privileg besitzt, eine liberalen Demokratie zu genießen, kennt keine Diktatur. Was also sollte diese Bemerkung?
Weder die Unionsparteien noch SPD und FDP in der „alten“ Bundesrepublik haben sich um Menschenrechte in der DDR wirklich gekümmert. Die Grünen waren im Übrigen ebenso fast ein Totalausfall. Kaum jemand hatte die Verletzung jener Rechte, die Menschen von Natur aus zustehen, auf dem politischen Schirm. Daher erwuchs Kohls Bemerkung: über diese Frage sollte tunlichst nicht diskutiert werden. Denn dann wäre eine völlig andere Frage aufgetaucht: was eigentlich haben wir in der Demokratie gegen die Diktatur unternommen? Was eigentlich haben demokratische Parteien für Menschenrechtler in der DDR – und besonders in Ost-Berlin – getan? Für die „Menschen hinter der Mauer„.
Die Mutigen sind der Maßstab
Dabei müssten liberale Demokraten doch all diejenigen täglich unterstützen, die kämpfen und sogar ihr Leben für die Freiheit riskieren. Diejenigen, die in überfüllte Knäste geworden und die, die gefoltert oder umgebracht werden. Und das nur, weil sie auf ihren Menschenrechten bestehen. Heute sind es die in Hongkong, im Iran, im Irak und andernorts. Diese Mutigen sind stets und ausschließlich der Maßstab, an dem ein System sich zu messen lassen hat. Das galt für die DDR, und es gilt natürlich ebenso für die VR China, die Türkei oder Russland. Und für viele andere Regime ebenso.
Es sind immer die Mutigen, die sich ihre Rechte nehmen und nahmen. Sie können sich auf Unterschriften und internationale Verträge berufen. Auf Zusagen, die alle Mitglieder der UNO unterschrieben haben. Die SED-Führer hatten die „Internationale Erklärung der Menschenrechte“ ebenfalls signiert, ebenso wie die Schlussakte von Helsinki.
Es war unter anderem die „Initiative Frieden und Menschenrechte“ in Ost-Berlin, die darauf bestand, ein Recht auf freie Meinungsäußerung zu haben – so, wie es in den von der SED-Diktatur unterzeichneten Verträgen stand. Der Sprecher der Initiative, Ralf Hirsch, war dem (Unrechts)Regime so verhasst, dass Stasileute sogar einen Plan zu seiner Ermordung entwarfen. Umerziehungslager für Kinder und Jugendliche, Einzelhaft, Beschattung, Zersetzung, Morde an der Mauer: das beschreibt das politische System der SED in der DDR. Nicht so richtig ein Unrechtsstaat? Vielleicht ein bisschen? Wie bizarr diese Debatte doch ist.
DDR & SED: Linksfaschismus
Was der SED nutzte, war gut. Alles andere bedeutete Gefahr für die SED. Gewiss, es gab ein Gesetzbuch, und es wurde auf dieser Basis Recht gesprochen. Doch dieses Recht wurde immer dann gebeugt, wenn es dem Regime in den Kram passte. Wenn das so ist, wird ein Staat ein Unrechtsstaat. So wie in der DDR. Manchen OstpolitikerInnen gefällt das nicht. Dazu zählen der Linke Ramelow und die SPD-Frau Schwesig. Was in ihren Köpfen abgeht, kann man nur erahnen. Im Grunde ist es unfassbar, dass Politiker hierzulande ein faschistisches Monster wie die DDR so verharmlosen.
Methodik und Aktionen zum Machterhalt unterscheiden sich bei Diktaturen kaum, gleich welches Label sie sich selbst verpassen. Die SED-Diktatur unterschied sich von als faschistisch beschriebenen Diktaturen nur marginal. Die offizielle DDR nannte sich „antifaschistisch“. Dabei praktizierte sie zutiefst faschistische Politik gegen all jene, die ihre Macht infrage stellten. Die Verfolgung politischer Opposition in der DDR und Ost-Berlin war zeitweise kaum zu unterscheiden von der des Diktators Pinochet in Chile. Das gilt vor allem für die frühen DDR-Staatsjahre.
Euphorie wird sich bei vielen Unrechts-Bedenkenträgern zum Jubiläum des Mauerfalls ohnehin nicht einstellen. Der 9. November ist zudem der deutscheste aller Tage im historischen Kalender jedes Jahres. Gleichwohl war der Fall der Mauer die totale Niederlage eines faschistischen Monsters. Und der Sieg der Freiheit über die Diktatur. Diese Niederlage haben die Unterdrücker von einst bis heute nicht verkraftet. Es ist höchste Zeit, die Freiheit wieder zu feiern. Nicht nur an Gedenktagen, sondern 365 Tage im Jahr.
Dieses unglaubliche Privileg der liberalen Demokratie nicht zu erkennen birgt die Gefahr des Verlustes der Freiheit. Soweit darf es nie kommen. Nie wieder.
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