Tag der Menschenrechte - Mann sitzt im Schatten © Tom Rübenach

Menschenrechte | Die anderen und wir

Heute ist der Internationale Tag der Menschenrechte. An diesem Tag erhält der Unterstützer eines Massenmörders den Literaturnobelpreis. Gleichzeitig kämpfen in Chile, Hongkong, Algerien und an vielen anderen Orten zahllose Menschen für ihre Grundrechte. Und wir?

Da hilft kein Beten

Unser täglich‘ Recht gib uns heute! Darum müssen wir hierzulande nicht mehr beten. Die liberale Demokratie garantiert durch die Verfassung Deutschlands vielerlei Rechte und Freiheiten. Das gilt sogar für jene, die unsere freiheitliche Ordnung zerstören wollen. Sowohl die sog. AfD als auch linksextreme Gruppen haben mit unserer Demokratie ziemlich wenig am Hut. Letztere sind ein wenig aus dem Fokus geraten; es gibt sie indes immer noch.

Manchmal sagen die Leute: „Da hilft nur noch beten.“ Das tun sie vor allem dann, wenn eine Situation ausweglos erscheint. Meist sind dies persönliche Gründe. Auch, wenn einem die politische Situation grotesk oder gar gefährlich vorkommt, ist dieser Seufzer zu hören. Sehen wir uns aber in der Welt um, beten die Leute nicht; etwa um mehr Freiheit, weniger Ungerechtigkeit, mitunter gar um das blanke Überleben. Sie tun etwas anderes: sie kämpfen. Das gilt für Chile ebenso wie für Hongkong. Für sie geht es ums politische und mitunter auch um das physische Überleben.

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Anwälte für Menschenrechte gesucht

Davon können wir nicht mal ein trauriges Lied singen. Denn wir haben keine Ahnung, was es bedeutet, Willkür und Brutalität ausgesetzt zu sein. Wir sitzen mit unserem Allerwertesten in der demokratischen Butter und kümmern uns um nichts und niemanden. Okay, das gilt nicht für alle. Die „meisten“: das würde es indes vermutlich ziemlich genau treffen. Die Zahl derjenigen, die regelmäßig bei und für Menschenrechts-Organisationen arbeiten, ist gering. Amnesty International oder Human Rights Watch suchen ständig nach Unterstützern. Nach denen, die wenigstens einmal im Monat eine Petition unterschreiben. Nur ein Mal. Nur alle vierzig Tage.

Es werden Anwälte für Menschenrechte gesucht. Solche, die sich für andere einsetzen. Es sitzen viel zu viele Leute im Knast oder dürfen ihre Meinung nicht mehr frei sagen (oder durften es noch nie). Anwälte werden gebraucht, die sich mit einer einzigen Aktion im Jahr in ihrer Stadt oder Gemeinde bemerkbar machen. Die Unterschriften sammeln für die Freiheit. Jede/r hat Zeit dazu. Man muss sie sich nur nehmen. Wer das nicht tut, dem sind die Menschenrechte anderer gleichgültig. So einfach ist das.

Blick in die Kölner Hohe Straße voll mit Menschen und einem Schild, auf dem "weniger." steht. © Tom Rübenach
Weniger shoppen, mehr Menschenrechte © Tom Rübenach

Humanitäre und Menschenrechtsorganisationen posten um die Wette – mit Bitten um Unterstützung oft hoffnungslos scheinender Fälle. Während hierzulande „politisch“ über Kommata und Halbsätze debattiert wird, werden andernorts friedliche Demonstranten zusammengeschlagen. In Indien und Bangladesch werden unsere coolen Shirts und Jeans unter Bedingungen produziert, die unbeschreiblich sind – immer noch.

Wir allerdings quetschen uns entlang fremder Körper durch die Kölner Hohe Straße und shoppen, als gäbe es kein Morgen mehr. Das schönste Geschenk zu Weihnachten scheint bedeutender als der Einsatz für andere. Ist das christlich?

China, Chile, Syrien

Seit über einem halben Jahr gehen Millionen in Hongkong nahezu täglich auf die Straße. Der Einwand, es gäbe dort auch gewalttätige Demonstranten, ist wohlfeil. Er lenkt jedes Mal vom Eigentlichen ab. Das besteht darin, dass die Volksrepublik China das Recht bricht. Jene Zusage nämlich, die das sogenannte Riesenreich im Vertrag über Hongkong gegeben hat: Ein Land, Zwei Systeme. Freiheiten in Hongkong wurden und werden systematisch geschreddert. Die Polizei schlägt brutal zu. Die Regierung Hongkongs ist eine Marionette der Kommunisten in Peking.

Nur wenig erfahren wir über die wochenlangen Proteste aus Chile. Die Korrespondenten der öffentlich-rechtlichen Medien haben einfach zu viele Länder am Bein, um die sie sich kümmern müssen. Da fällt ein Volksaufstand schon mal hinten runter. Im lateinamerikanischen „Vorzeigeland“ Chile haben die Bürger die Nase gestrichen voll. Es hat vor allem mit Korruption und großer sozialer Ungerechtigkeit zu tun. Die chilenische Demokratie hat ihr Versprechen nicht eingehalten. Freiheiten und Wohlstand sind nicht gleich zu verteilt; es bleibt ein zu starkes Ungleichgewicht. Dabei gehört Teilhabe – soziale und politische – zu den Menschenrechten.

Eine dunkle Starße mit einer einzigen Laterne, die leuchtet: für die Menschenrechte. © Tom Rübenach
„Democracy dies in Darkness“ (Washington Post) | Photo © Tom Rübenach

Syrien ist das Synonym für diejenigen, die die Menschenrechte verachten. Dieses Synonym trägt Namen. Der Diktator Assad hat sich mit dem Diktator Putin verbunden. Vom Zynismus zerfressene Herrscher, die kein Menschenrecht und kein Völkerrecht interessiert. Es spricht Bände, dass hierzulande fast ausschließlich geopolitische Themen den Diskurs über Syrien bestimmen. Dabei spielen der andauernde Krieg, die Flucht von Millionen und die martialischen Methoden der Regime kaum noch eine Rolle in der Berichterstattung.

Wir hier schlafen gut, jedenfalls die allermeisten von uns. Frei und geheim gewählt haben wir in diesem Jahr, manche sogar mehrfach. Wir lesen die Medien, die wir lesen möchten. Die Auswahl ist groß, entgegen des Geschwafels der Rechtsextremisten. Unsere Justiz ist unabhängig. Wir dürfen Demos organisieren, unsere Meinung frei sagen und die, die wir nicht mehr mögen, abwählen. Wir leben in der liberalsten Demokratie, die Deutschland je hatte. Und vermutlich in einem der freiesten Länder auf der ganzen Welt.

Und die anderen?

Szabadság heißt Freiheit | Plakat in Budapest © Tom Rübenach
Szabadság heißt Freiheit | Plakat in Budapest © Tom Rübenach
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