Horst Köhler | Eine Stimme Afrikas
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Horst Köhler ist gestorben. Nach kurzer, schwerer Krankheit, so teilte es das Bundespräsidialamt mit. Mit Köhler verliert nicht nur Deutschland einen großen Staatsmann. Auch die Welt und vor allem Afrika verlieren eine wichtige, bedeutende Stimme.
Noch vor ziemlich genau einem Jahr hatte sich Horst Köhler zu Wort gemeldet. In einem offenen Brief, der von anderen mitunterzeichnet wurde, warnte er eindringlich vor der Kürzung von Entwicklungshilfe. Im Bundeshaushalt 2025 war sie um 937 Millionen Euro gekürzt worden.
Das Budget des Entwicklungsministeriums soll demnach auf 10,3 Milliarden Euro sinken. Das wäre eine signifikante Reduzierung im Vergleich zu den vorherigen Haushaltsjahren. Der ehemalige Bundespräsident hatte nie die Hilfe als solche infrage gestellt. Indes, über die Art der Hilfe für die armen Länder der Welt hatte er oft andere, ja bessere, Vorschläge..
Für Köhler war Beteiligung wichtig
So hatte er wieder und wieder eine bessere Umsetzung von Entwicklungsprojekten angemahnt. Es werde, so Köhler, nicht ausreichend auf die spezifischen Bedürfnisse und Strukturen der afrikanischen Länder geachtet. Er forderte eine stärkere Einbeziehung von Gruppen und Ländern, und das bereits in der Planung. Für deren Umsetzung gelte dies selbstverständlich ebenso. Seine richtige Schlussfolgerung: Nur so könne sichergestellt werden, dass Unterstützung tatsächlich auch lokalen Anforderungen entsprächen.
In dem offenen Brief vom Februar 2024 heißt es wörtlich: „Armut, Hunger und der Klimawandel müssen aktiv bekämpft und mehr Mittel in Bildung und Gesundheit investiert werden. Deutschland spielt hier eine Schlüsselrolle und muss weiter seine internationale Verantwortung wahrnehmen.“
Köhler wollte die „ODA-Quote“ umgesetzt sehen
Hintergrund des offenen Briefes war der Beginn der Münchener Sicherheitskonferenz. Dabei wurde vor allem über eine Erhöhung der Militärausgaben diskutiert. Damals war noch von „nur“ zwei Prozent in den NATO-Staaten die Rede. Inzwischen gelten ja zwischen drei und sogar fünf Prozent als Diskussionsgrundlage.
ODA steht für Official Development Assistance. Die Vereinten Nationen haben sie in den 1960er Jahren beschlossen. Diese Quote beträgt 0,7 Prozent – gemessen an der nationalen Wirtschaftsleistung der Teilnehmerstaaten.
Die Unterzeichner des Briefes erinnerten an die sogenannte „ODA-Quote“. Sie dürfte nur einem engeren Kreis sogenannter Entwicklungs-Experten bekannt sein (Erklärung siehe oben). Dennoch ist sie sehr wichtig. Denn sie legt sie fest, wieviel Geld die wohlhabenden Staaten für Entwicklungshilfe ausgeben sollen. Genauer gesagt: Wieviel Prozent der Wirtschaftsleistung eines Landes wird für Entwicklungshilfe ausgegeben.
Deutschland rechnet die „ODA-Quote“ schön
Diese Quote wird von der aktuellen Bundesregierung mit 0,83% angegeben. Das klingt besser als es in Wahrheit ist. Denn darin werden auch die Kosten zur Versorgung von Flüchtlingen in Deutschland mit eingerechnet. Das zeigt ONE auf und weist es anhand konkreter Zahlen nach. ONE ist eine internationale Organisation, die sich u.a. für die Bekämpfung extremer Armut einsetzt. Ohne die Hilfe für Flüchtlinge läge die ODA-Quote Deutschland bei gerade einmal 0,73%. Berechnet man das Verhältnis von ODA pro Einwohner, liegt Deutschland lediglich auf den siebten Platz der Geberländer – und nicht, wie Ex-Finanzminister Lindner behauptete, auf dem ersten Platz. Die FDP will zudem lieber auf die Unterstützung bedürftiger Bürger und die Unterstützung brutalster Armut weltweit verzichten.
Köhler war ein Lobbyist gegen extreme Armut
Solche Debatten, Zahlen und Einordnungen mögen für Nichtexperten allzu kompliziert klingen. Für Horst Köhler zeigten sie eins: Wir, die reichen Länder, tun einfach viel zu wenig gegen die extreme Armut. Dabei, auch dies war Köhlers Überzeugung, wäre mehr Hilfe auch im eigenen Interesse.
Köhler sah ein wohlverstandenes Eigeninteresse immer auch als einen Antrieb für die Unterstützung von Entwicklungsprojekten. Für ihn war klar, dass extreme Wohlstands-Unterschiede langfristig nicht tragbar seien. Er hob hervor, dass das Schicksal armer Länder auch die Sicherheit und Stabilität wohlhabender Nationen betrifft. In diesem Kontext sagte er in einer Rede im Februar 2017 unter anderem diesen Satz:
„Man ahnt, dass das eigene Haus nicht sicher ist, wenn das Haus des Nachbarn brennt.“
" ... ich möchte einfach nicht auf Dauer erleben, dass afrikanische junge Menschen über das Wasser Mittelmeer kommen und ertrinken. Wir müssen helfen, im eigenen Interesse, dass sie zu Hause bleiben können, dort Arbeit finden. Und das heißt, sie brauchen Hilfe zur Selbsthilfe, wie es auch die Deutschen bekommen haben nach dem Zweiten Weltkrieg.“
Die Stimme Köhlers wird fehlen
Afrika ist unser Nachbarkontinent. Das vergessen viele, oder sie ignorieren es. Es ist kein Politiker von Renommee in Sicht, der die Lücke ausfüllen könnte, die Köhler durch seinen Tod hinterlässt. Dabei bräuchte es gerade jetzt so jemanden. Ja, die Welt ist in „Unordnung“, wie es allenthalben heißt. Die Schlagworte sind hinlänglich bekannt: China, Russland, Naher Osten, Ukraine. China und Russland streben auch in Afrika nach Vormacht – und nach mehr Einfluss weltweit. Bei diesem Machstreben geht es nie um Menschenwürde und Fairness, die Köhler immer wieder forderte.
„Die Interdependenz allen Geschehens auf diesem Planeten verlangt Empathie und Fairness, sie verlangt aber auch die Einsicht, wie sehr unsere nationalen Politiken und die globalen Rahmenbedingungen die Chancen von ärmeren Ländern beeinflussen.“
Deshalb ist es von Bedeutung, dass die Worte und die Taten Köhlers künftig noch mehr Gehör finden als zu seinen Lebzeiten. Ihm ging es auch um wirtschaftliche Interessen des eigenen Landes. Das ist legitim. Mehr noch aber ging es ihm um die Würde und Selbstbestimmung des Menschen, besonders um die der afrikanischen Bevölkerung.
ThomasSchwarzBonn.de unterstützt den gemeinnützigen Verein „Zukunft für Kinder in Slums e.V.“. Informationen zu dessen Arbeit und seine Wirkung finden Sie hier.
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